Data Science: Personalmarketing & Recruiting Reloaded
Data Science: Personalmarketing & Recruiting Reloaded. So lautet einer der vielen interessanten Vorträge und Erfahrungsberichte am 22. und 23. Mai auf dem 10. Recruiting Convent 2017. Da ich auf saatkorn immer wieder Einblicke in Trend- und Zukunftsthemen gebe, habe ich mit Prof. Dr. Christoph Beck, Hochschule Koblenz und Veranstalter des Recruiting Convents über seinen eigenen Vortrag gesprochen. Auf geht’s:
saatkorn: Lieber Christoph, zunächst einmal meinen herzlichen Glückwunsch zum 10 jährigen Jubiläum des Recruiting Convents. Du selbst wirst Einblicke in Dein Forschungslabor unter der Überschrift Data Science: Personalmarketing & Recruiting Reloaded geben. Entdecken wir hier leichte Parallelen zum Film „Matrix Reloaded“ mit Keanu Reeves aus dem Jahr 2003?
Prof. Dr. Beck: Ja, könnte man meinen, zumal Matrix Reloaded die Fortsetzung des Films Matrix ist und es um Virtualiät und intelligente Maschinen geht. Während es jedoch in dem Film darum geht, dass intelligente Maschinen danach streben den Geist der Menschen zu versklaven, geht es bei uns darum das Thema Personalmarketing & Recruiting neu zu denken, umzugestalten und die Technik und Wissenschaft so einzusetzen, dass sie dort eingesetzt wird, was sie besser und fehlerfreier kann als der Mensch und der Mensch, d.h. der Personalmarketer und Recruiter sich darauf konzentriert, was der Mensch besser kann.
saatkorn: Personalmarketing & Recruiting neu zu denken und um- bzw. neuzugestalten bedeutet hier den Einsatz von Data Science. Dies klingt sehr technisch und datenlastig. Was heißt das denn genau bzw. was macht ihr in eurem Forschungslabor?
Prof. Dr. Beck: Data Science bezeichnet die Extraktion von Wissen aus Daten. Mit Methoden der Mathematik, Informatik und Statistik werden Fakten und Wissen aus großen Datenmengen gezogen. Konkret haben wir uns mit Informatikern und Naturwissenschaftlern zusammengetan, um Anwendungsszenarien und Lösungsansätze im Bereich des Personalmarketing und Recruiting unter Anwendung von Data Science Methoden zu entwickeln.
saatkorn: Bedeutet dies, dass der Schwerpunkt des Personalmarketing & Recruiting Deiner Meinung nach künftig bei den Daten, wie z.B. den Mitarbeiter- oder Bewerberdaten liegt und welche Anwendungsszenarien des Einsatzes von Data Science „spielt“ ihr hier durch?
Prof. Dr. Beck: Der Schwerpunkt liegt nicht bei den Daten, sondern bei der Art und Weise wie Daten verarbeitet, aufbereitet und vor allem analysiert werden. Es geht hierbei mehr um eine zweckorientierte Datenanalyse und die systematische Generierung von Entscheidungshilfen um Wettbewerbsvorteile zu generieren. So lassen sich mittels Data Science alle Informationen über die Kompetenzen und Erfahrungen von Mitarbeitern bspw. einer Abteilung so zusammenstellen, dass einem Abteilungsleiter (w/m) eine Vorschlagsliste vom Recruiter vorgelegt werden kann, über welche Kompetenzen und Erfahrungen ein neuer Mitarbeiter verfügen sollte. Entweder weil er/sie über gleiche oder ähnliche Kompetenzen verfügen soll oder über ganz andere, d.h. eher Komplementäre. Es ist aber auch möglich, alle Kompetenzen der Mitarbeiter eines Unternehmens auf eine neu zu besetzende Stelle hin zu analysieren, so dass bspw. auf einer solchen Vorschlagsliste Mitarbeiter auftauchen, an die man nicht gedacht hat.
saatkorn: Bedeutet dies, dass ihr überwiegend Lösungsansätze für das interne Recruiting entwickelt oder sind basierend auf Data Science auch Anwendungen für das Personalmarketing und das externe Recruiting denkbar?
Prof. Dr. Beck: Wir probieren zurzeit unterschiedliche Anwendungsszenarien aus. Sei es von der Datenanalyse von 1 Mio. Stellenanzeigen um Aussagen für das Personalmarketing generieren zu können, über die Bewerbungsanalyse von 500.000 Bewerbungen, und zwar hier eine separierte Analyse von Anschreiben, Lebensläufen, Zeugnissen und Arbeitszeugnissen zur Erstellung eines Passungs-Rankings. Und dies innerhalb von 5 Minuten, in Verbindung mit einem Cockpit, welches das Passungs-Ranking der Bewerber dem Recruiter in real-time anzeigt.
saatkorn: Bedeutet dies tatsächlich, dass ihr daran arbeitet gigantische Bewerberdaten nahezu in Echtzeit zu analysieren, dass am Ende der ideale Kandidat herausfällt?
Prof. Dr. Beck: Im Prinzip ja. Es geht uns zum einen dabei die Passgenauigkeit von Bewerbern zu prüfen und menschliche Fehlerquellen weitgehend auszuschließen. Einmal dadurch, dass man wesentlich mehr Bewerberdaten auf eine Stelle hin analysieren kann. D.h. neben den eingehenden Bewerbungen können gleichzeitig auch die in vielen Unternehmen vorhandenen Talentpools oder Initiativbewerbungen etc. gleich mit in das Matching einbezogen werden. Zweitens geht es „unheimlich“ schnell, was die Effizienz-Akteure begeistern dürfte. Zum anderen geht es aber auch um die Ausschaltung bestimmter (menschlicher Beurteilungsfehler) und um diskriminierungsfreie Vorauswahl und wirkliche Passung, d.h. um den Person-Job Fit und den Person-Group-Fit.
saatkorn: Dies bedeutet, dass der Recruiter zukünftig wegfällt und die Bewerberauswahl am Ende durch einen oder mehrere Algorithmen durchgeführt wird.
Prof. Dr. Beck: Das kommt auf den Standpunkt an. Ich sehe dies nicht so. Sowohl Technik als auch Recruiter konzentrieren sich auf ihre jeweiligen komparativen Vorteile, aber Ja, das Berufsbild des Recruiters wird sich hin zum „Recruiting-Management“ verändern. Und nein, die Maschine wählt nicht den passenden Kandidaten aus, sondern erstellt zumindest in unseren Lösungsansätzen eine Vorschlagsliste. Wir können Technik –da wo sie funktioniert- als eine enorme Hilfestellung und Verbesserung begreifen oder als Bedrohung ansehen. Es gibt ja auch große Software-Anbieter die an ähnlichen Anwendungsszenarien arbeiten und Start-Ups die mit Chatbots das Internet nach geeigneten Profilen durchsuchen. Wir werden die Technik auch im Personalmarketing und Recruiting nicht aufhalten, aber wir können sie wesentlich mitbestimmen.
saatkorn: Danke für das Interview rund um den Einsatz von Data Science im Kontext Personalmarketing und Recruiting. Ich bin ganz gespannt darauf, was ihr am 23. Mai auf dem Recruiting Convent dazu vorstellt und freue mich schon darauf.