Corona zwingt Unternehmen zur Digitalisierung – Ein Gastbeitrag von Wolfgang Weber.
Wolfgang Weber ist seit 2018 Geschäftsführer bei meinestadt.de. Das Onlineportal hilft Menschen bei den wichtigen Entscheidungen im Leben und bietet den größten Stellenmarkt für Fachkräfte mit Berufsausbildung – regional und deutschlandweit. Jetzt hat meinestadt.de eine Studie rausgebracht, in der erstmals die Perspektive von Menschen mit Berufsausbildung auf die Digitalisierung der Arbeitswelt beleuchtet wird.
Wenn es um die Digitalisierung in Deutschland geht, attestieren drei Viertel der Fachkräfte mit Berufsausbildung unserem Land Nachholbedarf. Dass da etwas dran ist, hat die Coronakrise unter Beweis gestellt: Schulen ohne Homeschooling-Konzepte, Behörden, die geschlossen haben, ohne digital erreichbar zu sein und Unternehmen, die auf virtuelle Prozesse nicht vorbereitet waren. Doch was sind die Gründe für den Rückstand? Und was muss getan werden, damit die Umstellung auf digitale Prozesse gelingen kann?
Digitalisierung wird nicht aus Sicht der Mehrheit betrachtet
Bisher wurde das Thema Digitalisierung nur aus akademischer Sicht betrachtet. Dabei sind eine deutliche Mehrheit von 61,4 % der Erwerbstätigen in Deutschland Fachkräfte mit Berufsausbildung. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass nicht-akademische Berufe das Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft bilden: Pflegekräfte, KassiererInnen und Lkw-FahrerInnen sind plötzlich systemrelevant geworden. Es entbrannten Diskussionen über ihre Arbeitsbedingungen, die schon längst hätten geführt werden müssen. Eines zeigte sich deutlich – auch inmitten der Krise: Homeoffice und virtuelles Arbeiten sind für einen Großteil der Fachkräfte keine Option, weil es ihr Job gar nicht zulässt. Sämtliche Diskussionen rund um Arbeitskultur, Employer Branding und New Work wurden bisher systematisch mit Blick auf akademische Berufe geführt. Das muss sich ändern, wenn Deutschland bei der Digitalisierung vorankommen will.
Positive Grundeinstellung zum digitalen Wandel nutzen
Die Digitalisierung verändert das Arbeitsleben von immer mehr Fachkräften. 42,5 % geben an, dass sich ihr Arbeitsplatz durch die Digitalisierung stark oder sehr stark verändert hat. Die einzelnen Branchen sind dabei unterschiedlich betroffen. Selbst die Pflege, bei der ein Digitalisierungsbezug nicht unmittelbar auf der Hand liegt, befindet sich im Umbruch: die digitale Patientenakte, E-Rezepte und robotergestützte Therapieformen sind nur einige Beispiele. Etwa ein Drittel der Fachkräfte sagt, dass die Digitalisierung bereits Teile ihrer Arbeit ersetzt hat.
Dass der eigene Job der Digitalisierung zum Opfer fallen könnte, fürchten aber nur die wenigsten. Im Gegenteil: Mehrheitlich sind Fachkräfte dem digitalen Wandel gegenüber positiv gestimmt und sehen darin Chancen.
Digitalkompetenzen der Fachkräfte müssen gestärkt werden
Den Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, fühlen sich die meisten Fachkräfte insgesamt auch gewachsen. Dennoch schätzen sie ihre persönlichen Kompetenzen, bei den immer digitaler werdenden Prozessen mithalten zu können, als eher gering ein. Insbesondere die jüngeren fühlen sich im Umgang mit dem Smartphone oder den sozialen Medien noch fit bis sehr fit. Das heißt aber nicht, dass sie auch jobrelevante digitale Fähigkeiten mitbringen. Geht es zum Beispiel um virtuelle Kommunikation oder den Umgang mit großen Datenmengen, steigt die Mehrheit der Fachkräfte aus. Außerdem zeigt sich: Knapp 60 % der Unternehmen bieten keine Weiterbildungsmaßnahmen zu Digitalkompetenzen an, rund 80% der Fachkräfte haben bislang an keiner entsprechenden Maßnahme teilgenommen.
Nicht genug Unterstützung durch den Arbeitgeber
Die Unternehmen haben einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass es mit der Digitalisierung nicht so richtig vorwärts gehen will. Nur 4 % der Fachkräfte schreiben ihrem Betrieb eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung zu. Rund ein Drittel glaubt, dass ihr Unternehmen Nachholbedarf hat, um auf dem neuesten Stand zu sein.
Als Hauptgrund für den Nachholbedarf wird das mangelnde Engagement der Unternehmensleitung genannt. Bei den Veränderungen, die die Digitalisierung im eigenen Job mit sich bringt, fühlen sich Fachkräfte von ihren Arbeitgebern nicht genug unterstützt. Weitere Gründe sind Personalmangel, begrenzte finanzielle Möglichkeiten sowie Veränderungsresistenz in der Belegschaft und mangelndes Know-how im Betrieb.
Akzeptanz für Digitalisierung stärken
Vor der Einführung neuer Technologien ist es wichtig, den Fach-kräften den Bedarf an Veränderung bzw. die Notwendigkeit der Digitalisierung schlüssig zu vermitteln. Die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen hängt dabei wesentlich von der Kompetenz und Akzeptanz der breiten Masse der Fachkräfte im Unternehmen ab. Allen MitarbeiterInnen muss klar werden, was die Digitalisierung ihnen persönlich bringt. Nur so steigt auch die Bereitschaft zur Weiterbildung. Nach Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs sollten die MitarbeiterInnen auch unterstützt werden – z. B. in Form von externen Schulungen oder durch TrainerInnen, die ins Unternehmen kommen. Vielleicht können sogar besonders fitte MitarbeiterInnen identifiziert werden, die anderen Hilfestellung geben können.
Digitalisierung im Employer Branding nutzen
Im Recruiting sollten HR-Verantwortliche in vielen Branchen damit rechnen, dass sich Fachkräfte trotz persönlicher Digitalisierungsdefizite und der aktuell miserablen Konjunktur ihres Werts auf dem Arbeitsmarkt bewusst sind. Veraltete Maschinen, Prozesse oder unnötige Papierwüsten sind kein Qualitätssiegel für einen modernen und zukunftsorientierten Arbeitgeber. Besonders die heranwachsende Generation der Digital Natives überzeugt man damit nicht mehr. Die Corona-Krise hat die Bedeutung der Digitalisierung für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben noch einmal vor Augen geführt und zwingt Unternehmen zur digitalen Transformation. Kompetenz oder Vision in puncto Digitalisierung sollte in der Arbeitgeberkommunikation genutzt werden, um die besten Fachkräfte für sich zu gewinnen. Denn eins ist klar: Die „Corona-Helden“ im Pflegekittel wie hinter der Supermarktkasse werden auch nach der Krise erhobenen Hauptes in das Gespräch mit potenziellen Arbeitgebern gehen.
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