Content Marketing: alle Welt redet darüber. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um eine Marketing-Technik, die mit informierenden, beratenden und unterhaltenden Inhalten die Zielgruppe ansprechen soll, um sie vom eigenen Unternehmen und seinem Leistungsangebot oder einer eigenen Marke zu überzeugen und sie als Kunden zu gewinnen oder zu halten. Aber findet Content Marketing auch bereits im Personalmarketing statt? – Selbstredend. Mir fallen ganz eigennützig zunächst Plattformen wie blicksta oder careerloft dazu ein, aber auch Arbeitgeber sind in dem Themenfeld bereits in „Personalmarketing-Mission“ unterwegs. Ein tolles aktuelles Beispiel sind Voith Industrial Services. Ich hatte Gelegenheit, mit Michael Witt, Teamleiter Recruiting, zu seinen interessanten Ansätzen zu sprechen. Auf geht’s:
Michael Witt zu Content Marketing bei Voith Industrial Services
saatkorn.: Michael, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Ich bin seit 2013 bei Voith Indusrial Service, einer Division von Voith, als Recruiter tätig. In dieser Funktion beschäftige ich mit sämtlichen Facetten des Recruitings die von operativen Maßnahmen bis hin zur strategischen Ausrichtung des Recruitings der Division reichen. Zudem bin ich für das Personalmarketing verantwortlich und setzte dort ebenfalls operative wie strategische Maßnahmen und Konzepte um. Davor war ich in der Personaldienstleistung als verantwortlicher Recruiter tätig. Mein beruflicher Werdegang begann in der beruflichen Fort- und Weiterbildung.
saatkorn.: Voith Industrial Service ist insbesondere durch Eure Vine Aktionen für innovatives Personalmarketing bekannt. Nun setzt Du das Thema „Content Marketing“ auf die Agenda. Was ist das aus Deiner Sicht?
Unterschwellig war das Thema Content ja auch schon in den Vines dabei, wobei Robin und ich bei dem von dir angesprochenen Projekt das Thema Videos und Stellenanzeigen neu positioniert haben. Dabei stand das „Neu-Denken“ des Mediums Video und dessen Viralität im besonderen Fokus. Aber zurück zum Content Marketing: Content sollte in erster Linie für mich als Konsument in verschiedenen Formaten erhältlich sein, mich unterhalten, mich weiter bringen, informativ sein, mir Spaß machen und letztendlich mir einen klaren Mehrwert bieten. Dann ist es für mich eine Bereicherung in meiner eigenen Mediennutzung. Schwingt eine Marke dabei mit, dann verstehe ich das als Content Marketing. Wobei ich mich den bekannten Definitionen anschließe, die zusammengefasst aussagen, dass im Content-Marketing das werbende Interesse in die zweite Reihe rückt und der Mehrwert des Contents für den jeweiligen Rezipienten klar im Vordergrund stehen soll. Wenn wir da jetzt einmal den Blick auf das Personalmarketing richten, bei dem ja unter anderem eines der Kernelemente die Stellenanzeige ist, die dann in die zweite Reihe verschwinden soll, so muss man schon genau seine Zielgruppe kennen und bestimmt einmal ganz konsequent um die Ecke denken damit dann ein schlüssiges (Kampagnen-) Konzept dabei herauskommt. Das finde ich auch mit das herausforderndste beim Content Marketing. Denn Content bedeutet nicht immer gleich Mehrwert für die Zielgruppe und zahlt somit auch nicht automatisch positiv auf die Marke ein.
saatkorn.: Welche Ziele willst Du mit dem „Content Marketing“ Approach bei und für Voith Industrial Service erreichen?
Aus methodischer Sicht kann man diesen Approach als Arbeitgeberkampagne bezeichnen. Somit soll sie in erster Linie auf den Brand einzahlen. Dazu gleich noch ein wenig mehr. Entstanden ist die Idee aber aus einem ganz anderem Kontext heraus: Uns wurde von unseren Kollegen aus den Operations berichtet, dass wir unsere Tätigkeiten nicht sauber und ausführlich genug darstellen und die Bewerber, die zu den Interviews kommen, oft nicht unsere Dienstleistungen kennen und sogar sehr oft gar nicht wissen, dass wir die Industriesparte des Konzerns sind. Also haben wir hier mit einen ganz anderen Spillover Effekt zu kämpfen. Ausgehend von diesen Rückmeldungen habe ich dann Stück für Stück den Content-Ansatz entwickelt, den wir dann auch für sechs unserer Engpassberufe umgesetzt haben. Innerhalb dieser Zielgruppen wollen wir deutlich die Bekanntheit der Marke, unserer Dienstleistungen und einhergehend den Bewerbungseingang erhöhen.
Desweiteren haben wir vor etwa eineinhalb Jahren eine Studie mit einem Institut durchgeführt, in der nachgewiesen wurde, dass innerhalb „unserer“ Zielgruppen eine Wechselbereitschaft von über 50% herrscht, aber innerhalb dieser Gruppe wiederum deutlich unter 40% der Wechselbereiten aktiv auf Jobsuche sind. Also gibt es hier jede Menge Potenzial das wir heben wollen. Dies würde ich als zweiten, wichtigen Aspekt der Kampagnenzielsetzung nennen.
saatkorn.: Wie sieht das konkret aus, welche Personalmarketinginstrumente werden für Eure Content Marketing Strategie eingesetzt?
Für den Content Marketing Ansatz haben wir das Tool des Storytellings gewählt. Heißt, wir haben für jeden definierten Engpassberuf eine Story geschrieben. Als Basis für die Geschichten haben wir jeweils ein strukturiertes Interview mit einer Kollegin oder Kollegin geführt. Aus diesen realen Jobinformationen aus unserem realen Arbeitsumfeld haben wir dann fiktive Heldengeschichten geschrieben, die erstmal nichts mit Personalmarketing zu tun haben, sondern spannende Kurzgeschichten sind, die tatsächlich unterhalten.
Auf den zweiten Blick findet man aber die Parallelen zum Arbeitsalltag: die Probleme unserer Helden, die Tätigkeiten, die Werkzeuge die gibt es tatsächlich! Und wer sich wieder erkennt und Lust hat mehr zu erfahren, kann am Ende jeder Geschichte auf einen Link klicken und kommt direkt zur passenden Stellenanzeige. Somit hat jede Story immer einen „Call to Action“ der auf das Kerninteresse verweist: Personalmarketing.
Wir setzen bei den Instrumenten vor allem auf einen Kanal, der meines Wissens so noch nicht im Personalmarketing eingesetzt wurde: Wir haben mit den 6 Kurzgeschichten ein eBook produziert und mit dem Haufe Verlag publiziert. Dieses eBook kann zum einen auf einer eigenen Seite bei Haufe runtergeladen werden. Aber die weit größere Reichweite erzielen wir durch die Bereitstellung des Buches bei amazon, iBook und googlePlay. Hier ist das Buch in der Kategorie „Kurgeschichten“ als Neuerscheinung gelistet. Auch wenn wir hier mit Sicherheit einen hohen Streuverlust haben und wir auch hier mehr einen Guerilla-Ansatz verfolgen, kommen wir so dennoch an Menschen, die sich mit uns als Arbeitgeber noch nicht beschäftigt haben.
Zudem sind die Stellen und unsere Karriereseite auch aus den eBooks verlinkt so dass wir Interessierte wiederum zielgerichtet weiterleiten. Erste Rückmeldungen zeigen klar, dass die anvisierte Zielgruppe sich in den Geschichten wiederfindet und es toll findet auch einmal „Held“ zu sein!
Neben „lesen“ haben wir „hören“ noch einen großen Anteil gewidmet. Wir haben jede Geschichte als Podcats einlesen lassen und stellen diese auf unserer Homepage zum Download bereit. Zudem gibt es das ganze eBook als Hörbuch zum download. Um die Reichweite auch hier zu steigern, planen wir auch den Export auf bekannte Plattformen. Nur sind hier teilweise die AGB bzw. das Volumen nicht passend für unser Anliegen. Darüber hinaus verwenden wir die gängigen Personalmarketinginstrumente, allem voran unsere Karriereseite, die wir als Kommunikationszentrale für die Kampagne umgebaut haben.
saatkorn.: Wie sieht Content Marketing auf Eurer Karrierewebsite aus?
Wir haben verschiedene Zugänge zu den Stories. Zum einen die beschriebene Möglichkeit über die eBooks. Zum anderen haben wir die oben schon angesprochene „Vine-Stellenanzeige“ überarbeitet, die Bestandteil des Ansatzes ist. Von diesen 6 Anzeigen, die bei stellenanzeigen.de veröffentlicht sind, gelangen Interessenten ebenfalls auf unsere Karriereseite zur jeweils passenden Story. HeldenAds, und die Veröffentlichung der Stories in Gruppen, Foren und über unserer Corporate Kanäle bringen ebenfalls Traffic. Somit haben wir 3 unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten auf unserer Karriereseite geschaffen:
- Auf der Startseite haben wir die Storys in den Header platziert, bzw. einen Silder mit 6 Bildern und einem Storyteaser installiert und den Footer entsprechend erweitert. Für Jede Story haben wir unseren Wimmelbus-Künstler angefragt ein Bild zu zeichnen.
- Jede Story hat ihre eigene Landingpage auf der Podcast, Link zum eBook, Link zur Stellenanzeige und Kontaktmöglichkeiten mit uns integriert sind. Dies ist die eigentliche „Zentrale“ und hier soll der meiste Traffic hingeleitet werden.
- Alle 6 Stories haben wir auf einer Übersichtsseite zusammengeführt. Hier werden alle Geschichten mit einem Teaser angekündigt und können einzeln ausgewählt werden. Dies dient vor allem zur Ordnung der Seite.
saatkorn.: Es erfordert viel Zeit, das Buch und die Stories zu lesen. Habt Ihr auch über Bewegtbildformate nachgedacht?
Zwischen 5 und 6 Minuten pro Story 😉 also insgesamt schon eine ganze Weile, stimmt. Und als bekennender Fan von Snack Content haben wir uns natürlich auch Gedanken über einfachere und auch kürzere Formate gemacht. Ein Ansatz sind ja die Podcasts und das Hörbuch. Das kann man sich ja schon mal aufs Handy laden und unterwegs anhören. Die Stories sind also auch mobil. Ich hab vorhin schon kurz die Überarbeitung der Vine-Stellenanzeige angerissen. Zu den Stories gehört ja offensichtlich auch eine konkrete Stelle. Hier haben wir gemeinsam mit stellenanzeigen.de unsere Anzeige weiterentwickelt und mit neuen Erkenntnissen aus der CandEx Studie und unseren Messungen neu aufbereitet. Hier sind wir aber noch auf dem Weg und arbeiten noch an der „Intelligenz“ der Stellenanzeige. Daher kann ich hier und heute noch nicht mehr verraten. Dennoch haben wir neben einem Re-Desgin, welches vor allem auf Basis der messbaren Candidate Journey liegt, eben auch wieder Vines intergiert. Diese Vines sehe ich als Bindeglied zwischen Story und Stellenanzeige. In unserem Vinekanal haben diese neuproduzierten 6 Vines mittlerweile zusammen über 12.000 Loops eingespielt.
saatkorn.: Woran wird gemessen, ob Content Marketing für Euch ein Erfolg ist?
Wir haben ja in diesem Ansatz sehr unterschiedliche Gewerke und auch unterschiedliche Plattformen. Wir messen auf jeden Fall alles, was unsere Technik auf der Homepage hergibt. Zudem versuchen wir alle möglichen Daten unserer externen Partner zu bekommen. Schwierig wird Beispielweise die Conversion der eBooks der externen Boards zu messen. Auch die Stellenanzeige hat dieses Mal noch mehr Messpunkte eingebaut und wir werden mit der gesamten Kampagne nach gewissen Zeiträumen auf Basis der gewonnenen Daten A-B Testungen durchführen und so den Content stetig weiterentwickeln. Also „lebt“ dieses Konzept und lässt sich auch entsprechend externen oder der genannten interne Faktoren anpassen. Neben diesen, meiner Meinung nach unerlässlichen quantitativen Messungen, würde ich es als Erfolg sehen, wenn in Zukunft mehr Bewerber über uns Bescheid wissen, oder tatsächlich die Stories zur Bewerbung angeregt haben. Diese qualitativen Aspekte werden wir versuchen von unseren Kollegen zu erfragen.
saatkorn.: Was sind die nächsten Schritte im Voith Industrial Service Personalmarketing?
Die Stories bieten ja noch jede Menge Möglichkeiten, die wir noch angehen wollen und auch werden. Hier haben wir schon ganz konkrete Ideen. Aber hier wir warten erstmal ab, bis die angekündigten Änderungen eintreten. Danach stehen auch erstmal grundlegende Themen an, also quasi die Baseline, neue Karriereseite usw.. Davor wollen wir noch eine Zielgruppe angehen, die wir bis dato nicht ganz so strategisch angegangen sind. Da wird es sehr wahrscheinlich einen Social Media Recruiting Ansatz geben 😉
saatkorn.: Lieber Michael – ganz herzlichen Dank für die spannenden Einblicke in das Content Marketing bei Voith Industrial Services!