bologna, bachelor und employer branding
vor ein paar tagen drüber gestolpert und für interessant, aber auch merkwürdig und letzten endes gefährlich befunden: das interview mit prof. dr. scholz im online-magazin der sz rund um seine bestandsaufnahme zum thema bachelor und „warum manche unternehmen den bachelor nicht ernst nehmen“.
vielleicht wundert sich nun der eine oder andere saatkorn.-leser (weibliche form bitte stets mitdenken) über dieses thema: was hat das mit employer branding, personalmarketing und recruiting zu tun? – indirekt eine ganze menge, denn
- machen sich die ersten anzeichen der demographischen entwicklung so langsam bei den unternehmen bemerkbar: talent wird definitiv mehr und mehr zu einem raren gut, insbesondere vor dem hintergrund der aktuellen konjunkturellen entwicklung. ergo: wir brauchen die bachelors!
- geht es hier um die kommunikation in die dringend benötigte zielgruppe. wird der bachelor schlecht geredet, führt eine solche kommunikation in massenmedien wie der sz oder vor einigen monaten, dort aber deutlich differenzierter dargestellt, in spiegel online in erster linie zu einer großen verunsicherung – und mit sicherheit nicht dazu, dass sich mehr junge leute zu einem studium entschließen. tatsächlich werden diese jungen menschen heute schon dringend benötigt und in den nächsten jahren…siehe punkt 1.
- ist das thema bologna ja auch und gerade vor dem hintergrund der internationalen vergleichbarkeit vom zaun gebrochen worden. sicherlich besteht hier noch viel handlungsbedarf, aber in einem land wie deutschland, welches in den nächsten jahren dringend auf zuwanderung von außen angewiesen sein wird, die spärlich vorhandene zielgruppe im eigenen land durch solche aussagen zu verunsichern führt nicht weiter – und auch nicht dazu, dass deutschland für leute von außen attraktiver wirkt!
zum hintergrund:
prof. dr. scholz, seines zeichens lehrstuhlinhaber für betriebswirtschaftslehre an der universität des saarlandes, hat im august 2010 analysiert, wie attraktiv der bachlorabschluß für unternehmen ist. dazu wurde an einem stichtag im jobboard monster analysiert, wieviele stellenangebote konkret für bachelor vorhanden waren und ergänzend geprüft, wieviele stellenanzeigen auf den karriere-websites der 15 unternehmen, die 2004 als erste die „bachelor welcome“ erklärung unterschrieben haben (u.a. allianz, bertelsmann, bmw, deutsche bahn, telekom…) sich konkret an bachelor studenten richten. die studie kann man hier lesen.
die vorgehensweise macht auf den ersten blick vielleicht sinn, hält meines erachtens einer genaueren prüfung aber nicht stand:
- bei vielen unternehmen ist in den stellenangeboten gar nicht explizit der titel des studienabschlusses enthalten. sehr viele stellenanzeigen beinhalten formulierungen wie „nach abschluss des studiums“. diese stellenangebote sind in der analyse nicht berücksichtigt worden. bei meinem arbeitgeber (der zu den 15 oben genannten unternehmen gehört) wird nicht entsprechend differenziert – und ich wüsste auch nicht, warum das so sein sollte. aus unternehmenssicht geht es bei der besetzung einer stelle ja meist nicht darum, einen bestimmten akademischen grad einzustellen, sondern den am besten passenden bewerber. und ich bezweifle, dass der akademische abschluß da stets an erster stelle steht.
- prof. dr. scholz richtet sich auch gegen die dualen studiengänge, die inzwischen breitflächig von deutschen unternehmen angeboten werden. als dekan und professor einer universität sicherlich verständlich. nicht aber aus perspektive der unternehmen, die sich eben auch eine praxisnahe ausbildung wünschen. und mit sicherheit auch nicht aus der perspektive der zielgruppe, die das angebot dualer studiengänge ja gut annimmt, was ich als vorstandssprecher von queb nicht nur für meinen, sondern für fast alle der 43 vertretetenen, namhaften unternehmen sagen kann. bachelor ist bachelor, ob auf der universität oder in einem dualen studiengang erworben. die meisten der 15 genannten unternehmen verfügen über derartige ausbildungsgänge, was nicht bedeutet, dass automatisch keine externen bachelor aufgenommen werden würden. aber ein bißchen sehr vereinfacht ist die aussage schon, wenn auf basis der o.g. studie in massenmedien behauptet wird, dass der bachelor keine attraktivität habe. dies stimmt so definitiv nicht.
polemisch wird es, wenn zum ende des interviews hin die frage gestellt wird: „was für jobs könnte ein bachelor ohne praktische erfahrung machen?“. stellen wir uns doch einfach dieselbe frage mal ohne bologna und bachelor. drehen wir einmal die zeit um 10 jahre zurück. da hätte sich die frage wie folgt angehört: „was für jobs könnte ein diplomand ohne praktische erfahrung machen?“. tja, die antwort auf diese frage wäre auch nicht so ganz positiv ausgefallen.
aus unternehmensperspektive ist praktische erfahrung nun mal ebenso wichtig, machnmal vielleicht sogar wichtiger, als der akademische abschluss. das mag man als professor beklagen, aber dies ist definitiv keine erkenntnis aus dem bologna prozess und der frage, ob unternehmen den bachelor ernst nehmen.
aus unternehmensperspektive kann man jungen leuten nur empfehlen, die ausbildung zu machen, die den eigenen vorstellungen und bedürfnissen am besten entspricht. möchte man später in der wirtschaft einen schnellen und guten einstieg finden, ist und bleibt praktische erfahrung unerläßlich. aus diesem grund gibt es ja auch initiativen wie „mut zur praxis“, die verdeutlichen, dass neben dem akademischen abschluss auch andere skills und erfahrungen wichtig sind.
es wäre gut und wünschenswert, wenn renommierte magazine wie die sz das thema in seiner gesamten komplexität und nicht nur ausschnittartig beleuchten würden. bin gespannt auf feedback!