Benchmark Ausbildungswebsites: Beim 3. Symposium für Personalmarketing & Recruiting im öffentlichen Dienst am 21. April 2016 in Berlin werden die Ergebnisse der Benchmark-Studie „Ausbildungswebsites“ von der Königsteiner Agentur und Prof. Dr. Christoph Beck präsentiert. Ich sprach mit Studienleiter Beck um zu erfahren, wie der Status quo und wie es um den Professionalisierungsgrad der Ausbildungswebsites in der Praxis bestellt ist.
Benchmark Ausbildungswebsites: erstmalig werden Websites für Schüler analysiert
saatkorn: Christoph, im Zeitraum zwischen September 2015 und Januar 2016 wurden von Euch die Ausbildungswebsites von 227 Unternehmen/Institutionen aus 13 Branchen systematisch analysiert, im druckfrischen Benchmark Ausbildungswebsites. Und, sind die Ausbildungswebsites nun eher digitale Orte zum Verweilen oder eher zum flüchten und was habt Ihr tatsächlich untersucht?
Prof. Dr. Beck: Untersucht wurden im Benchmark Ausbildugnswebsites die fünf Untersuchungskategorien „Zugang / Navigation & Usability“, „Informationsangebot“, „Design & Informationsaufbereitung“, „Kommunikation & Interaktivität“ sowie „Web 2.0“ mit in der Summe 35 Einzel-Items. Als Maßstab wurde hierzu eine theoretisch, ideale Ausbildungswebsite konzipiert, die alle 35 Untersuchungs-Items zu hundert Prozent erfüllt, wobei anzumerken ist, dass die Kriterien, aufgrund von Voruntersuchungen, mit sehr viel „Augenmaß“ aufgestellt und anschließend operationalisiert wurden, so dass auch die maximal mögliche Punktzahl als durchaus gut erreichbar angesehen wird.
Im Ergebnis kann man schon festhalten, dass es aus Sicht einer jüngeren Zielgruppe schon Ausbildungswebsites gibt, die nicht nur einen hohen Professionalisierungsgrad besitzen, sondern tatsächlich digitale Orte zum längeren Verweilen darstellen. Neben den allgemein verdächtigen größeren Unternehmen sind hier besonders zum Beispiel die Berliner Wasserbetriebe zu nennen. Insgesamt waren im Benchmark Ausbildungswebsites die Ergebnisse aber eher durchwachsen.
Benchmark Ausbildungswebsites: keine Branche zufriedenstellend
saatkorn: Ihr habt im Benchmark Ausbildungswebsites u.a. einen Branchenvergleich durchgeführt. Was sind hierbei die wesentlichen Ergebnisse?
Prof. Dr. Beck: Der Branchenvergleich fällt insgesamt ernüchternd auf der einen Seite, aber auch schwierig auf der anderen Seite aus. Ernüchternd insofern, da im Mittel keine Branche die fünfzig Prozenthürde überschreitet. Und schwierig gestaltet sich der Branchenvergleich aus dem Grund, da eine enorme Spreizung hinsichtlich des Professionalisierungsgrades in den einzelnen Branchen vorliegt. So unterscheiden sich Unternehmen mit der höchsten (erreichten) Punktzahl und den Unternehmen mit den niedrigsten Punktwerten in der Spitze um 30,45 Punkten (Differenz), bei maximal zu erreichenden 53,4 Punkten.
saatkorn: Zeigte sich dieses enorme Gefälle zwischen richtig guten und weniger guten Ausbildungswebsites auch in der Einzelbetrachtung?
Prof. Dr. Beck: Ja, und zwar noch wesentlich gravierender. So erreichte von den 227 Ausbildungswebsites die beste Website (BASF) 40,65 Punkte (von 53,5 Pkt.), während das Unternehmen mit dem niedrigsten Punktwert gerade einmal 6,7 Punkte erreichte. Insgesamt liegen nur sechs der untersuchten Unternehmen/Institutionen im oberen Drittel, während 173 Unternehmen sich im mittleren und sogar 48 Unternehmen im unteren Drittel der zu erreichenden Punktwerte bewegen.
saatkorn: Mit der Transparenz über so viele Ausbildungswebsites und den daraus resultierenden Erkenntnissen; was sind für Dich die wesentlichen lessons learned aus dem Benchmark Ausbildungswebsites?
Prof. Dr. Beck: Man merkt vielen Ausbildungswebsites an, dass man sich noch nicht ganz in die Situation von Schülern hineinversetzt hat. Man geht wie selbstverständlich davon aus, dass z.B. ein 17 Jähriger weiß, was ein Mechatroniker wirklich macht, was aber nicht der Fall ist. Wir haben 327 anerkannte Ausbildungsberufe zurzeit und wir sollten den jungen Menschen wirkliche Einblicke in die Berufsbilder geben.
Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist die Funktion einer Ausbildungswebsite. Sie sollte u.a. insbesondere jungen Zielgruppen vornehmlich Orientierungsangebote auf der einen Seite, aber auch Entscheidungshilfen und Touchpoints auf der anderen Seite bieten. Anders ausgedrückt: Die Ausbildungswebsite sollte somit der jungen Zielgruppe (und auch den Multiplikatoren/Influencern) Orientierung und Antworten auf die tatsächlichen Fragen geben. Dass dies nicht immer erreicht wird zeigt sich u.a. daran, dass 66% der untersuchten Unternehmen z.B. keine wirklichen Einblicke in das Thema Ausbildung gewähren, da sie keine Erfahrungsberichte auf ihren Websites posten. Und wenn nur 50% der Unternehmen die Ausbildungsinteressierten über die einzelnen Bewerbungsschritte informieren sowie nur 7% der Unternehmen Einblicke in die Auswahlverfahren (=Auszüge aus Testverfahren o.ä.) ermöglichen so zeigt dies einmal mehr, dass die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft werden.
Benchmark Ausbildungswebsites: Eltern nicht berücksichtigt
saatkorn: Welches Ergebnis hat Dich am meisten überrascht bzw. womit hättest Du nicht gerechnet?
Prof. Dr. Beck: Überrascht hat mich der Umstand, dass viele Unternehmen anscheinend immer noch davon ausgehen, dass der/die Schüler/in die Entscheidung für einen Ausbildungsberuf oder einen Ausbildungsbetrieb alleine treffen, was nach meiner Einschätzung eher ein „Mythos“ ist. So zeigte nicht zuletzt die Studie „Azubi-Recruiting Trends“ (u-form Testsysteme) auf, dass 51% der Ausbildungsinteressierten den Einfluss der Eltern bei der Berufswahl mit mindestens „stark“ angeben. Wenn dann aber, wie von den 227 untersuchten Ausbildungswebsites gerade einmal nur 7% der betrachteten Unternehmen/Institutionen ein separates Informationsangebot für Multiplikatoren und Influencer anbieten, gilt es diesen Tatbestand nochmal zu überdenken.
saatkorn: Interessant fand ich im Interview Deine Anmerkung, dass die Ausbildungswebsite zunehmend zielgruppenspezifischer ausgestaltet werden sollte, weil viele sicherlich meinen, dass sie dies schon tun. Du meinst damit aber, dass die Ausbildung zwischenzeitlich wesentlich differenzierter zu betrachten ist und somit für eine gute Zielgruppenansprache auf der Ausbildungswebsite auch die Orientierungs- und Informationsangebote zielgruppenspezifisch (Duale Ausbildung / Duales Studium / Quereinsteiger etc.) bereitgestellt werden sollten. Mehr als interessant.
Ich bedanke mich zunächst einmal bei Dir für die ersten Einblicke in die Studienergebnisse und hoffe, dass Du weiterhin an dem Thema Ausbildungswebsites dran bleibst und es in Zukunft eine Neuauflage des Benchmark Ausbildungswebsites geben wird.