Gibt es einen Recruitermangel? – Diese Frage hatte mich in letzter Zeit beschäftigt. Und in diesem Kontext hatte ich auch bei LinkedIn mal nachgefragt und die Gelegenheit zu einem Interview mit Barbara Wittmann, Country Managerin & Senior Director Talent Solutions für LinkedIn DACH und Mitglied der Geschäftsleitung, bekommen. Das möchte ich Euch nicht vorenthalten, denn der Recruitermangel ist hier nur ein Thema unter vielen. Auf geht’s:
SAATKORN: Barbara, bitte stelle Dich den wenigen SAATKORN Leser:innen, die Dich ggf. nicht kennen, bitte einmal kurz vor.
Mein Name ist Barbara Wittmann und ich bin seit über fünf Jahren bei LinkedIn tätig, seit gut zwei Jahren als Country Managerin für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zusätzlich verantworte ich den B2B-Vertriebsbereich Talent Solutions, das heißt zusammen mit meinem Team kümmere ich mich um LinkedIn Lösungen im Bereich Recruiting, Employer Branding, Learning, Mitarbeiterengagement und HR Analytics.
SAATKORN: Wie läuft es bei LinkedIn derzeit geschäftlich, insbesondere im DACH Raum?
Wir sind weltweit und auch im DACH-Raum sehr zufrieden mit unserem Momentum. Für immer mehr Menschen spielt LinkedIn eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, sich beruflich zu vernetzen, zu lernen, zu wachsen und neue Chancen wahrzunehmen. Weltweit zählen wir mittlerweile mehr als 774 Millionen Mitglieder und jede Sekunde kommen im Schnitt drei neue hinzu. Und auch die Interaktionen unserer Mitglieder auf der Plattform sind auf einem Allzeithoch – das zeigt uns, dass wir unseren Mitgliedern einen echten Mehrwert bieten und dass viele Inhalte geteilt werden, die andere zum Nachdenken und zum Dialog anregen. Auch was unsere Geschäftszahlen anbelangt, sind wir sehr zufrieden. In den vergangenen fünf Jahren hat sich unser weltweiter Umsatz verdreifacht und wir bieten unseren Kund:innen in den Bereichen Recruiting, Learning, Sales und Marketing ein sehr umfassendes und attraktives Portfolio.
SAATKORN: Wie ist Deine Sicht auf die Themen Employer Branding und Recruiting? Ich erlebe hier extremen Bedarf, insbesondere seit Anfang diesen Jahres…
Ja, auch wir sehen hier eine sehr starke Nachfrage. Der Fachkräftemangel und der demographische Wandel führen schon seit Jahren zu einer angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Corona-Krise hat diesen Trend kurzzeitig abgeschwächt, aber mitnichten gestoppt. Mittlerweile befinden wir uns bereits wieder über dem Niveau vor der Pandemie. Wer qualifizierte Mitarbeiter:innen für sein Unternehmen gewinnen möchte, der muss sich als attraktiver Arbeitgeber:innen positionieren und sich aktiv um Bewerber:innen bemühen.
SAATKORN: Wie sind Eure Geschäftsprognosen für das Themenfeld Mitarbeiter:innen-Gewinnung für die nächsten Jahre im DACH Raum?
Es bleibt sehr spannend! Unternehmen werden in den nächsten Jahren noch mehr Zeit und Aufwand investieren müssen, um neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen, vor allem wenn es um hochqualifizierte Fachkräfte geht. Hinzu kommt, dass wir gerade besonders große Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt beobachten: Bedingt durch die Erfahrungen der letzten Monate überdenken viele Arbeitnehmer:innen momentan nicht nur wo sie arbeiten wollen, sondern auch wie. Und Arbeitgeber:innen überlegen, welche Arbeitsmodelle und welche Formen der Zusammenarbeit sie anbieten wollen und können. Welche Rolle werden beispielsweise Büros in der Zukunft spielen? Welche Formen der Weiterentwicklung kann man bieten? Hier gibt es viele Fragen und momentan wird noch sehr viel experimentiert. Sicher ist allerdings bereits, dass diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt auch Veränderungen in der Unternehmenskultur mit sich bringen werden. Um auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu binden, müssen Führungskräfte deshalb aktiv daran arbeiten, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die zu den veränderten Rahmenbedingungen passt.
Barbara Wittmann: starke Recruiter-Nachfrage auf LinkedIn
SAATKORN: Ihr schaut ja auch kontinuierlich auf die Entwicklung von bei LinkedIn geposteten Stellen für verschiedene Berufsbilder. Wie sieht es da im DACH Raum mit dem Themenfeld Recruiting aus?
Dass die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeiter:innen trotz der Corona-Pandemie sehr hoch ist, zeigt sich auch daran, dass die Nachfrage nach Recruitern selbst, also denjenigen, die helfen sollen, neue Talente an Bord zu holen, zuletzt sprunghaft angestiegen ist: So wurden im Juni 2021 auf LinkedIn fast siebenmal mehr Stellen für Recruiter ausgeschrieben als noch im Juni des Vorjahres und mehr als doppelt so viele wie im Jahresdurchschnitt von 2019. Wir sehen also deutlich, dass mit der Erholung der Wirtschaft auch das Thema Personalgewinnung wieder stärker in den Vordergrund rückt.
SAATKORN: Kann man Eurer Meinung nach schon von der „Engpass-Zielgruppe Recruiter“ (m/w/d) sprechen?
Die Zahlen sprechen dafür, dass hier definitiv große Nachfrage besteht. Das macht es für Unternehmen natürlich nicht leichter, neue Mitarbeiter:innen zu finden. Vorteile haben sicherlich Unternehmen, die Recruitern das bieten können, was ihnen heute besonders wichtig ist: Neben einer guten Work-Life-Balance, der Vergütung und Unternehmenskultur spielen Arbeitsplatzsicherheit und eine gesellschaftlich relevante Ausrichtung des Unternehmens eine immer wichtigere Rolle.
SAATKORN: Inwiefern arbeitet LinkedIn an neuen Produkten und Funktionen, die es Arbeitgeber:innen leichter machen, neues Personal zu gewinnen?
Unser Angebot in diesem Bereich entwickeln wir kontinuierlich weiter. Zuletzt haben wir beispielsweise einige Funktionen vorgestellt, die Unternehmen helfen sollen, ihren „unconcious bias“, also unbewusste Vorurteile, im Einstellungsprozess zu minimieren. Studien haben immer wieder gezeigt, dass Menschen aufgrund bestimmter persönlicher Merkmale, die nichts mit ihrer beruflichen Qualifikation zu tun haben, benachteiligt werden. Deshalb haben Recruiter auf LinkedIn jetzt die Möglichkeit, Namen und Fotos von Kandidat:innen auszublenden. Dies hilft nicht nur den Bewerber:innen, sondern auch den Unternehmen, da sich ihr Kandidatenpool vergrößert und sich eine diverse Belegschaft nachweislich positiv auf die Innovationskraft und den Geschäftserfolg eines Unternehmens auswirkt.
Barbara Wittmann: 3 wichtige Faktoren für Retention
SAATKORN: Und inwiefern spielt die Bindung von Mitarbeiter:innen an Arbeitgeber:innen im Produkt- und Funktionsportfolio von LinkedIn eine Rolle?
Unsere Analysen zeigen, dass drei Faktoren zunehmend besonders wichtig für die Mitarbeiterbindung sind: Flexible Arbeitsmodelle, eine gute Work-Life-Balance sowie die Möglichkeit, sich im Unternehmen schnell weiterzuentwickeln. Der letzte Punkt verdient meiner Meinung nach besonderes Augenmerk – gerade jetzt, wo wir vielerorts den Wandel hin zu mehr dezentralen Arbeitsmodellen sehen. Wenn Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, immer auf der Stelle zu treten und nichts Neues lernen zu können, ist das oft ein Kündigungsgrund. Führungskräfte müssen zukünftig daher sicherstellen, dass alle Mitarbeiter:innen, ob sie im Büro sind oder vom Home Office aus arbeiten, gleichermaßen die Chance bekommen sich weiterzuentwickeln. Die Etablierung von passenden Lernangeboten ist hier ein wichtiger Baustein.
Bei LinkedIn haben wir auf diesen Bedarf unter anderem reagiert, indem wir erst kürzlich unsere neue Weiterbildungsplattform, den LinkedIn Learning Hub vorgestellt haben. Neben Inhalten ist es wichtig, dass Personalentwickler:innen zum einen eine agile Lernkultur im Unternehmen fördern und gleichzeitig Analysetools, um die Kompetenzentwicklung zu steuern. Dafür verbinden wir drei Elemente: unser LinkedIn Learning Kursangebot, welches mittlerweile etwa 17.000 Online Tutorials zu einem breiten Themenspektrum umfasst, die eigenen Weiterbildungsangebote von Unternehmen sowie Analysemöglichkeiten rund um die Kompetenzentwicklung von Beschäftigten. So können Lernende orts- und zeitunabhängig auf personalisierte Inhalte zugreifen, die für ihre Position und Weiterentwicklung wichtig sind und Personalverantwortliche bekommen datenbasierte Anhaltspunkte dazu, wo in der Belegschaft welcher Trainingsbedarf herrscht.
Um die Mitarbeiter:innenbindung insgesamt im Blick zu behalten, ist es natürlich auch elementar, regelmäßig strukturiertes Feedback der Belegschaft einzuholen. Die vielerorts noch etablierte jährliche und groß angelegte Mitarbeiter:innenbefragung ist unserer Meinung nach allerdings ein überholtes Modell, da es hier häufig zu Verzerrungseffekten kommt und es schwierig ist, konkrete Erkenntnisse aus den Ergebnissen zu gewinnen. Mit GLINT bieten wir Unternehmen hier eine Alternative: GLINT kombiniert modernste Technologie mit intuitivem Design und ermöglicht so KI-gestützte Mitarbeiter:innenbefragungen in kürzeren Intervallen. Diese bieten die Möglichkeit, nicht nur in nahezu Echtzeit ein akkurates Bild der Mitarbeiter:innenzufriedenheit zu bekommen, sondern auch entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.
SAATKORN: Was ist die LinkedIn Strategie im DACH Raum für die nächsten zwei bis drei Jahre?
Wir wollen natürlich im DACH-Raum weiter wachsen und das Angebot für unsere Mitglieder:innen stetig verbessern. Das kann für die einen bedeuten, dass sie einen Job auf LinkedIn finden, der sie noch mehr erfüllt oder besser zu den eigenen Lebensumständen passt, für andere der Wunsch sein, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. In einer Arbeitswelt, die immer flexibler und internationaler wird, wollen wir zudem Unternehmen die Möglichkeit bieten, sich global zu positionieren, egal ob sie neue Talente rekrutieren, neue Kund:innen gewinnen oder über Neuigkeiten berichten wollen.
SAATKORN: Barbara, ganz herzlichen DANK für diese Insights. Und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit und bei LinkedIn!
Wer sich für das Thema „Recruitermangel“ mehr interessiert, kann HIER weiterlesen. Ich hatte mir letzte Woche dazu ein paar Gedanken gemacht…