azubi.report 2021 Facts, Figures & Download
azubi.report 2021: Azubis sagen, wie es ist!
Heute ein Thema wieder in eigener Sache. Meine geschätzten Kolleg*innen von Ausbildung.de gehen mit dem etablierten azubi.report in die 6. Runde.
Zu den Hauptergebnissen zählt, dass mehr und mehr Azubis den Wert Sicherheit wiederentdecken statt sich selbst zu entfalten, wer kann es ihnen in dieser Zeit verdenken? 69 Prozent ist ein sicherer Arbeitsplatz wichtig. Die Zufriedenheit nimmt mit jedem Ausbildungsjahr ab.
Neben all dem Zahlenwerk haben wir auch einige Statements von jungen Menschen in ihrer Ausbildung bekommen. Heute greifen wir einige davon auf. Sabine Zagar und Tobias Klem, beide Experten im Content Marketing Team bei Ausbildung.de, haben die Studie konzipiert und durchgeführt. Hier geben sie fundierte Antworten auf die Aussagen.
„Ich mache eine Friseurausbildung. Durch die Coronapandemie und die geltenden Regeln bleibt meine Ausbildung auf der Strecke.“
Auszubildende, 19 Jahre, Handwerk
Natürlich haben wir im diesjährigen azubi.report – wie auch schon bei der STARTKLAR Schülerstudie 2020 – genau betrachtet, was die Pandemie für die Ausbildung bedeutet. Gerade Auszubildende in Berufen, die von dem anhaltenden Lockdown stark betroffen sind, leiden enorm. Vielen ist übrigens auch nicht klar, dass Auszubildende nicht mal eben so in Kurzarbeit oder ins Homeoffice geschickt werden können. Der Grund liegt dabei eigentlich auf der Hand: In der Ausbildung geht es Vordergründig um das Erlernen der Ausbildungsinhalte. Unternehmen sind daher gefordert, den Lernfortschritt aufrechtzuerhalten. Und das kann für manche Branchen zu einer echten Mammutaufgabe werden.
Doch es gibt auch kleine Lichtblicke. Uns hat es zum Beispiel gefreut, dass viele Azubis ihren Ausbildern gute Zeugnisse aussprechen, was die Kommunikation in Krisenzeiten angeht. Leider sinkt der vermeintliche Optimismus der Azubis mit jedem Ausbildungsjahr und macht Sorgen und Zweifeln Platz. Unternehmen sind also gerade hier gefordert, offen mit ihren Auszubildenden über ihre Perspektiven zu sprechen und das auch – oder erst recht – in Zeiten, in denen große Unsicherheit herrscht.
„Die Aufgaben in meinem Beruf sind anders als erwartet und machen mir nicht so viel Spaß und fordern mich auch nicht auf die Art und Weise, wie gewünscht.“
Auszubildender, 20 Jahre, Technik
Der Ursprung dieses Problems lässt sich bereits in der Orientierungs- und Bewerbungsphase finden. Schüler*innen müssen entscheiden, welchen von über 600 Ausbildungsberufen sie machen möchten, oder ob sie einen ganz anderen Weg, beispielsweise in ein Studium, einschlagen wollen. Daher ist es wichtig, dass sie realistische Informationen zu Berufen, aber auch zum konkreten Ausbildungsablauf erhalten. Viele Unternehmen sind hier bereits gut aufgestellt, dennoch kommt es noch häufig vor, dass wichtige Informationen gar nicht oder nur oberflächlich kommuniziert werden.
Ein Ergebnis im azubi.report 2021, das uns in diesem Zusammenhang etwas überrascht hat, ist übrigens die Tatsache, dass fast jede*r Dritte den Ausbildungsberuf bereits aus einem Praktikum kannte. Einen Beruf in der Praxis ausprobieren zu können, ist natürlich ideal, um Klarheit zu erhalten. Deshalb sollten Unternehmen gerade jetzt, wo aufgrund der Corona-Krise genau diese Art der Informationsmöglichkeiten wegfallen, noch stärker in eine offene Kommunikation investieren und wenn möglich Ersatzveranstaltungen – beispielsweise digitale Praktika oder Messen – anbieten.
„Nach einem Jahr soll man praktisch funktionieren wie eine ausgelernte Vollzeitkraft und wird auch so eingesetzt.“
Auszubildender, 20 Jahre, Industrie
Diese Aussage bringt – wenn auch etwas überspitz – ganz gut auf den Punkt, was viele Auszubildende wahrnehmen und was wir so auch der Datenauswertung entnehmen können: Nämlich, dass Auszubildende mit jedem Jahr der Ausbildung unzufriedener werden. 68 Prozent der Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr geben an, zufrieden zu sein, aber nur 42 Prozent der Azubis im vierten Jahr. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Kompetenzen der Azubis immer größer werden und das Vertrauen, aber auch die Erwartungen an sie steigen. Schwierig wird es aber, wenn sie das nicht auch durch Anerkennung vermittelt bekommen oder wenn sie das Gefühl haben, allein mit ihren Problemen dazustehen. Wir finden es alarmierend, wenn 68 Prozent im ersten Jahr angeben, genug Unterstützung zu erhalten, aber nur 40 Prozent im vierten Jahr.
Kommunikation ist wie immer das A und O. Hier gilt es vor allem auch, Auszubildende abzuholen, die aufgrund ihres Ausbildungsfortschritts zwar schon eigenständiger arbeiten, trotzdem aber genauso einen Ansprechpartner benötigen.
„Ich fühle mich in der Berufsschule alleine gelassen. Ich habe ein Fach, worin ich dringend Hilfe benötige, aber keine bekomme.“
Auszubildende, 22 Jahre, Handwerk
Die Schließung der Berufsschulen im Zuge der Corona-Krise wurden in den Medien bislang kaum thematisiert. Dabei haben wir hier die gleichen Probleme, wie bei Grund- und weiterführenden Schulen: sie sind kaum auf einen Digitalunterricht vorbereitet. In vielen Fällen wird daher von den Auszubildenden verlangt, sich die Inhalte in Eigenregie anzueignen. Besonders fatal ist das für die Auszubildenden, die kurz vor dem Abschluss stehen. Jeder dritte Auszubildende glaubt nämlich, aufgrund von Unterrichtsausfall seine Abschlussprüfung nicht zu bestehen.
Und auch ganz unabhängig von der Corona-Krise zeigt der azubi.report Jahr für Jahr Defizite im schulischen Teil der Ausbildung. Etwa, dass Unterstützung fehlt, wenn sie benötigt wird oder der Praxisbezug der Inhalte sehr gering ist.
„Ich fühle mich unterfordert und habe nicht das Gefühl mit dieser Ausbildung eine Zukunft zu haben.“
Auszubildende, 21 Jahre, Gastronomie und Tourismus
Die Zukunftsaussichten zählen zu den relevantesten Entscheidungsfaktoren, wenn es um die Wahl einer Ausbildung geht. Insbesondere der Wunsch nach Sicherheit ist im Zuge der Coronapandemie sogar bei 48 Prozent der Befragten größer geworden.
Daher ist es ein wichtiger Faktor, dass Auszubildenden gute Perspektiven geboten bekommen und diese von den Unternehmen auch kommuniziert werden. Betriebe klagen seit Jahren, dass es immer schwieriger wird, junge Talente von einer Ausbildung zu überzeugen. Und das kann zu einem strukturellen Problem werden, nämlich wenn sich der Trend fortsetzt und immer mehr Schüler:innen in die Hochschulen anstatt in die betriebliche Ausbildung strömen. Stichwort Fachkräftemangel. Unternehmen konkurrieren ja nicht nur untereinander, sondern auch mit Universitäten. Laut Statistischem Bundesamt entscheiden sich aktuell rund 77 Prozent der Abiturienten für ein Studium. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist hingegen gefallen. Dabei hat die Ausbildung ein riesen Potenzial. Doch dieses Potenzial muss auch von den jungen Talenten erkannt werden. Für sie muss die Ausbildung attraktiv und lohnenswert für die persönliche berufliche Entwicklung sein. Und das geht nur, wenn Unternehmen die Vorteile einer Ausbildung auch kommunizieren und während der Ausbildungszeit realisieren. Hier gibt es auf jeden Fall noch einiges zu tun.