Azubi-Recruiting Trends 2023: Interview mit Felicia Ullrich
Thema Ausbildung: zu Gast ist heute Felicia Ullrich von u-form Testsysteme. Wir sprechen über die Ergebnisse von Deutschlands größter mehrperspektivischer Studie zur dualen Ausbildung, den Azubi-Recdruiting Trends 2023. auf geht’s:
SAATKORN: Felicia, stell Dich den Lesern doch kurz vor?
Nichts lieber als das, Gero. Ich fange mal so an: Ich bin Mama von zwei Söhnen, die der Generation Z zugerechnet werden. Daher stört mich dieses Generation Z-Bashing. Umso mehr freue ich mich über die Ergebnisse der Azubi-Recruiting Trends, Teil 2, in die ich Deinen Lesern einen Einblick geben möchte. Damit wären wir beim zweiten Teil der Vorstellung. Die Studie „Azubi-Recruiting Trends“ verlege ich zusammen mit Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz seit 2013. Mit über 4.600 befragten Bewerbenden und Azubis und 1625 Ausbildenden sind wir auch dieses Jahr wieder Deutschlands größte doppelperspektivische Studie zu diesem Thema.
SAATKORN: Felicia, was hat Deine Freude über die Ergebnisse mit dem Generationen-Bashing zu tun?
Du bist selbst Papa, Gero. Du weißt, wie das ist mit Kindern. Im Augenblick möchte man sie zum Mond schießen, um sie Sekunden später sofort wieder zurückzuholen. Junge Menschen haben das Recht, unsere Werte und Vorstellung in Frage zu stellen. Wenn wir sie für Ausbildung begeistern wollen, sollten wir sie so akzeptieren, wie sie sind und mit diesem Gemecker über die junge Generation aufhören.
Das Thema Generation Z und Work-Live Balance oder sogar Work-Live-Cut sind ja in aller Munde. Also haben wir das Thema „Arbeitszeitmodelle“ aus der Studie 2019 noch einmal aufgegriffen. Dieses Mal haben wir auch die Ausbildenden um ihre Einschätzung gebeten und das Thema mobiles Arbeiten ergänzt.
Für 51 %der Bewerbenden (Gen Z) wäre eine längere Arbeitszeit kein Grund, sich gegen ein Ausbildungsangebot zu entscheiden. Bei den Ausbildenden (überwiegen Genz X und Y) sind es dagegen nur 43 %, für die eine längere Arbeitszeit kein Grund dafür wäre, ihrem Arbeitgeber den Rücken zu kehren. Für 91 %der Ausbildenden sind flexible Arbeitszeiten besonders wichtig, bei der jungen Generation sind es nur 77 %. So könnte ich jetzt fröhlich weiter machen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass für die Generationen X und Y Flexibilität, mobiles Arbeiten, freie Wochenenden und wenig Überstunden wichtiger sind als für die Bewerbenden und Azubis. So viel dazu.
Mobiles Arbeiten ist übrigens für 57 % der Bewerbenden und Azubis wichtig. In Ausbildungsberufen, wo das möglich ist, sind Arbeitergeber gut beraten es auch anzubieten, um ihre Ausbildungsattraktivität zu steigern.
SAATKORN: Ausbildungsattraktivität ist ein gutes Stichwort. Habt Ihr danach nicht auch gefragt?
Genau, haben wir. Wir haben die Wichtigkeit von 23 Faktoren der Ausbildungsattraktivität abgefragt. Zusammenfassend lässt sich sagen: es gibt nicht den einen Faktor, der die Attraktivität steigert, sondern das Gesamtpaket muss stimmen. Allerdings werden einige Faktoren als „sehr wichtig“ besonders stark priorisiert. Dazu gehören vor allem „Eine Ausbildung, die Spaß macht“. Das finden 73 % der Befragten sehr wichtig, beim Faktor „Fachkompetente Ausbilder*innen“ sind es 72 %. Faktoren mit einem großen Anteil hoher Priorisierung sind zudem ein „Ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben“ (60 %), „Aufstiegschancen nach der Ausbildung“ (59 %) oder „Übernahmechancen im Ausbildungsbetrieb“ (55 %). Gute Nachrichten für KMUs: Die Größe des Ausbildungsbetriebs und das Image sowie die Bekanntheit belegen die zwei hintersten Plätze.
SAATKORN: Und wie schätzen die Betriebe selbst diese Faktoren ein?
Glaubt man der Einschätzung der Unternehmen, passen die Wünsche der Zielgruppe hier auf den ersten Blick gut zum Angebot der Unternehmen. Betrachten wir etwa die drei von den Azubis am höchsten priorisierten Aspekte, so sieht diese eine Mehrheit der Ausbildenden sie in ihrem Betrieb als „sehr gut“ oder „eher gut“ umgesetzt an: „Eine Ausbildung, die Spaß macht“ (84,7 %), „Fachkompetente Ausbilder*innen“ (85,9 %) und „Ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben“ (72,9 %). Entscheidend ist hier die Frage, was „eher gut“ bedeutet. Nimmt man die „sehr gut umgesetzt“-Bewertungen bei den Ausbildenden, sinken die Anteile deutlich: Der Spaßfaktor liegt noch bei 28 %, die Fachkompetenz der Ausbilder bei 37 % etc. Da wir immer noch hohe Abbruchquoten in der Ausbildung haben, schaue ich auch persönlich ein wenig skeptisch auf die „eher gut“-Bewertungen der Ausbildenden. Ich gewinne bei der Interpretation dieser Zahlen den Eindruck: Viele Ausbildende sind vom eigenen Ausbildungsangebot nicht so 100prozentig überzeugt.
SAATKORN: Wie sieht die Übereinstimmung zwischen Azubi-Wünschen und der Umsetzung bei anderen Themen aus?
Bei den Ergebnissen zu Berufs- und Jobmessen und zum Onboarding gibt es deutliche Abweichung von Wunsch und Wirklichkeit. Schaue ich mir die Ergebnisse zu den Berufsmessen an, frage ich mich „Warum stellen Unternehmen auf Berufsmessen aus?“ Ziel sollte doch sein, Azubis direkt zu rekrutieren, oder? Umso mehr überrascht es, dass nur 19 % der Unternehmen die Möglichkeit geben, sich vor Ort direkt zu bewerben. 54 % der Bewerbenden fänden das gut, nur 12 % hatten das Gefühl, dass es diese Möglichkeit auch gibt. Das ist technisch ja nun wirklich auch kein Zauberzeug.
Erlebnisse bleiben im Kopf, Kugelschreiber eher nicht. Auch hier überrascht mich, dass nur 30 % der Jugendlichen sagen, dass sie die Möglichkeit hatten, einen guten Eindruck der Berufe zu gewinnen durch Ausprobieren, Übungen oder Spiele. Wünschen würden es sich 70 % der Jugendlichen.
Lustig ist, dass 78 % der Unternehmen sagen, sie sprechen die Jugendlichen direkt an. Aber nur 31 % der Jugendlichen fühlten sich aktiv angesprochen. Nach meiner persönlichen Erfahrung mit meinem jüngeren Sohn auf einer Berufsmesse, würde ich die Einschätzung der Jugendlichen teilen. Das ist ein bisschen so, als würdest Du eine Stellenanzeige schalten, ohne zu schreiben, wie man sich bewerben kann.
SAATKORN: Und wo hakt es bei Onboarding?
Eigentlich in allen Punkten. Die Jugendlichen wünschen sich mehr Informationen. Über den ersten Arbeitstag (92 %), die Berufsschule (88 %), das Unternehmen und zu Krankenkassen und Versicherungen. In allen genannten Bereichen liegt die Abweichung vom Wunsch der Azubis und der erlebten Wirklichkeit in den Unternehmen bei 30 % und mehr.
Sehr starke Abweichung gibt es auch bei dem Wunsch, einen Buddy oder einen Paten am Anfang der Ausbildung zur Seite gestellt zu bekommen. Das wünschen sich 71 % der Azubis und nur 26 % erleben es so. Die Abweichung wird nur noch getoppt von dem Wunsch, Zugang zu einer Lernplattform zu bekommen (69 %). Den erhalten tatsächlich nur 9 %. So viel zum Thema Digitalisierung in der Ausbildung. Kleiner Tipp: U-form ist hier übrigens ein super Ansprechpartner.
In einem Punkt bestätigt unsere Studie das „Vorurteil“ gegenüber der Generation Z. Für sie ist „Diversity“ einfach völlig normal. Für 54 % ist daher eine geschlechtsspezifische Veranstaltung wie der Girls und Boys das, worauf sie bei der Berufsorientierung am besten verzichten können. Meine Söhne sind an dem Tag beide lieber in die Schule gegangen und das soll schon was heißen. Nur 8 % würden auf Praktika verzichten wollen – ein guter Grund für Unternehmen hier noch mehr Angebote zu schaffen.
SAATKORN: Felicia, möchtest Du uns zum Schluss noch etwas mitgeben?
Es lohnt sich auf jeden Fall, die Studienergebnisse HIER herunterzuladen. Enden möchte ich Worten von Martin Buber „Man kann einem Menschen nur etwas verkaufen, wenn man ihn liebt“ Für die Gewinnung von Young Talents sollte das auf jeden Fall auch gelten.
SAATKORN: Danke Felicia, für diese spannenden Einblicke in die Azubi-Recruiting Trends 2023!
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