Die Azubi Recruiting Trends 2015 stehen fest. Alljährlich ermittelt der u-form Verlag in einer Studie (Download HIER) die aktuellen Trends rund um das thema Ausbildung. Grund genug, einmal bei Felicia Ullrich, Geschäftsführerin von u-Form, nachzuhaken. Auf geht’s:
saatkorn.: Frau Ullrich, bitte stellen Sie sich doch den Saatkorn LeserInnen kurz vor.
saatkorn.: Gerade haben sie die Azubi-Recruiting Trends 2015 veröffentlicht. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse?
Wir greifen ja in unserer Studie jedes Jahr „Trends“ auf, um zu schauen, ob es sich um wirkliche Trends handelt oder ob die Trends eher zu Trends geredet werden. Dieses Jahr waren das die Helikopter-Eltern.
In der Presse war ja häufiger zu lesen, dass Azubis in Bereichen, wo es heute schon schwierig ist, Ausbildungsplätze zu besetzen, mit Prämien geködert werden. Hier wollten wir wissen, ob solche Prämien Ausbildung wirklich attraktiver machen. Die Studie zeigt: So materialistisch ist unsere Jugend gar nicht. Denn die Top 3 der Maßnahmen, die Ausbildung attraktiv machen, sind „Zusatzqualifikationen während der Ausbildung“, „Verkürzung der Ausbildung“ und „Auslandsaufenthalte“. Erst auf Platz vier folgend danndie Prämien. Bei den „Zusatzqualifikationen während der Ausbildung“ – die von über 80 % der Befragten als „sehr attraktiv“ eingestuft wurden, haben die Unternehmen allerdings noch erheblichen Nachholbedarf – das gleiche gilt für das Thema „Auslandsaufenthalte“.
Nachdem wir in der 2014er Studie festgestellt haben, dass das Thema „Facebook“ für die Bewerberkommunikation in der Ausbildung definitiv nur ein herbeigeredeter und kein von der Zielgruppe gewünschter Trend ist, haben wir uns dieses Mal das Thema „Mobile-Recruiting“ angeschaut. Auch das ist für unsere Zielgruppe zurzeit ganz offensichtlich keine Alternative. Wobei ich damit keine mobil optimierten Karriereseiten oder Online-Stellenanzeigen meine (die sind in meinen Augen unverzichtbar), sondern wirklich eine vollständige Umsetzung der Bewerbung in mobilen Systemen. Unsere Studie zeigt, dass wir es bei den Azubi-Bewerbern eher mit „konservativen Onlinern“ zu tun haben. Die Zielgruppe ist online affin und mobil unterwegs. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass 72 % der Azubis E-Learningverfahren während der Ausbildung positiv einschätzen, auch wenn sich 52 % der Ausbilder noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Bei Bewerbungen mögen Azubis in spe allerdings eher die klassische Papierbewerbung. (GRAFIK) Azubi-Bewerber schätzen Bewerbungsprozesse übrigens als deutlich weniger transparent ein als Unternehmen.
saatkorn.: Was hat Sie persönlich in diesem Jahr überrascht?
Überrascht und auch ein wenig traurig gestimmt hat mich die Erkenntnis, dass dem großen Teil von Bewerbern mit Helikopter-Eltern ein Anteil von rund 30 % von Jugendlichen gegenüber steht, die von ihren Eltern keine oder wenig Unterstützung bekommen. Diese Jugendlichen haben bei gleichen Talenten automatisch weniger Chancen, nur weil sie in eine bildungsferne Familie hinein geboren wurden. Da schlummern mit Sicherheit Talente, die einfach durch unser Raster fallen. Das stimmt schon nachdenklich und ist der Grund, warum wir dieses Jahr mit der Studie die Initiative „Rock Your Life“ unterstützen.
Ein widersprüchliches Ergebnis ist auch, dass die Ausbildungsverantwortlichen einerseits Schulnoten eine hohe Bedeutung im Rahmen des Auswahlprozesses zukommen lassen – diese aber andererseits als wenig valide erachten, was den langfristigen Berufserfolg angeht.
Da passt irgendwas nicht richtig zusammen. Schließlich wählen Betriebe ihre Azubis ja nicht aus, damit sie nach Abschluss der Ausbildung mit einer „1“ im Gepäck das Unternehmen auf Nimmerwiedersehen verlassen. Es geht immer um den langfristigen Mehrwert, den Azubis für ein Unternehmen schaffen können. Das sollte auch die Grundüberlegung bei der Auswahl sein, und dafür spielt die langfristige Berufseignung eine große Rolle.
Erstaunt hat mich ebenfalls die große Akzeptanz von Testverfahren bei den Bewerbern – besonders was Persönlichkeitstests angeht. Diese Art von Testverfahren findet ja in Deutschland eine eher geringe Akzeptanz. In Kombinationen mit den vielen Azubi-Einträgen in den Freitextfeldern zu diesem Thema zeigt das in meinen Augen, dass sich Bewerber wünschen, nicht einfach durch ein vor allem schulisch definiertes Leistungsschema gepresst zu werden. Sie wollen mit allen Facetten ihrer Persönlichkeit wahrgenommen werden. Dazu passt auch, dass sie sehr statische Bewerbermanagement-Systeme wenig positiv beurteilen.
saatkorn.: Würden Sie sagen, dass die Herausforderungen im Azubi-Recruiting bereits ihren Zenit erreicht haben, oder erwarten Sie in den nächsten Jahren eine weitere Verschärfung der Situation? Falls ja: welche Unternehmen, Branchen und Regionen werden davon besonders betroffen sein?
Ja und nein. Ich denke, es kommt darauf an, wie sich Politik und Unternehmen zukünftig verhalten. Den demographischen Wandel können wir ja kurzfristig nicht stoppen. Schaffen wir es aber, die betriebliche Ausbildung attraktiver zu machen, besser zu verkaufen und damit den Trend zur akademischen Qualifizierung zu stoppen, dann wird es nicht ganz so arg. Dass die Bachelor-Studiengänge derzeit immer stärker in die Kritik geraten, gibt mir ein wenig Hoffnung. Die duale Ausbildung könnte dadurch vielleicht wieder an Boden gewinnen – nach dem Motto „besser eine praxisnah betrieblich ausgebildete Fachkraft als ein halbfertiger Akademiker“. Auch das duale Studium könnte in diesem Zusammenhang eine neue Relevanz bekommen.
Hart treffen wird es in jedem Fall solche Branchen, in denen man sich die Finger schmutzig macht und die für ihren wenig charmanten Umgang mit dem Nachwuchs bekannt sind – wie zum Beispiel das Gastgewerbe. Aber auch das Handwerk leidet ja heute schon merklich, und ich glaube leider, dass dieser Trend noch zunehmen wird. Hinzu kommen die ganzen unbekannten Ausbildungsprofile. Es herrscht nach meiner Einschätzung ein Mangel an Wissen um die Vorzüge der dualen Ausbildung – zum Beispiel was deren Bildungsrendite angeht. Es bleibt also noch viel zu tun….
saatkorn.: Frau Ullrich – vielen Dank für das Interview. Und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit u-Form!