Armin Trost: neues Buch inkl. Verlosung
Kürzlich landete es bei mir auf dem Tisch, das neue Buch von Prof. Dr. Armin Trost: „Unter den Erwartungen – Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt“. Ein ganzes Buch über das Mitarbeitergespräch?! – Da macht es Sinn, mal genauer nachzufragen. Und siehe da: es steckt (natürlich) weit mehr dahinter. Aber das erklärt uns Armin selbst im Interview. Auf geht’s:
saatkorn.: Armin, vorstellen musst Du Dich den allermeisten saatkorn.-LeserInnen mit Sicherheit nicht mehr. Da es aber vielleicht doch den ein oder anderen Novizen oder Fachfremden gibt, erläutere doch bitte kurz, was Du so machst und was Dich so antreibt.
Ich bin Lehrer an einer Schule im Schwarzwald – Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen. Im Kontext HR schreibe ich Bücher, halte Vorträge und berate Unternehmen. Meine Berufung sehe ich darin, eine konstruktive Unruhe in die Personalerwelt hineinzutragen. Ich glaube, das ist mir in den vergangenen zehn Jahren ganz gut gelungen.
Momentan bin ich dabei, gängige HR-Instrumente und –ansätze vor dem Hintergrund moderner Entwicklungen in der Arbeitswelt auseinanderzupflücken und Alternativen zu finden, wo sie gebraucht werden.
saatkorn.: Du hast gerade ein neues Buch heraus gebracht: „Unter den Erwartungen – Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt.“ – Ehrlich gesagt war ich erstaunt: in Zeiten der digitalen Transformation ein ganzes Buch zum Mitarbeitergespräch?
Das war auch so nicht vorgesehen. Ich wollte ein kleines Büchlein schreiben. Aber der Verlag klärte mich auf, dass er keine Büchlein verlegt, sondern nur Bücher. Dann musste ich eben weiter ausholen, was in Anbetracht der unerwarteten Komplexität und Vielschichtigkeit der Thematik am Ende extrem gut getan hat.
Es geht mir eigentlich nicht nur um das Mitarbeitergespräch sondern um modernes HR in einem agilen Kontext. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir weite Teile von HR in den kommenden Jahren neu erfinden müssen. Wie man über gängige Instrumente aus dem HR nachdenken kann und welche Komplexität und Dynamik hinter den Dingen steht habe ich versucht, in diesem Buch anhand eines einzigen Instruments zu verdeutlichen. Die zentrale These meines Buches ist die, dass das jährliche Mitarbeitergespräch in einer streng hierarchischen Welt durchaus funktionieren kann. Mit einer modernen, agilen Welt ist das jährliche Mitarbeitergespräch aber schlichtweg nicht kompatibel.
saatkorn.: Dementsprechend müsste HR – um unter den heutigen Vorzeichen einer immer dynamischeren, vernetzteren, digitaler werdenden Welt – ganz anders agieren. Bevor wir auf die Instrumentenebene kommen: welches Selbstverständnis müsste Deiner Meinung nach eine modern ausgerichtete HR Abteilung haben?
Ich sehe vor allem zwei Dinge. In modernen, agilen Organisationen stehen die Teams und deren Netzwerke im Mittelpunkt. Eine HR-Abteilung tut nur das, was diesen Teams hilft und was diese Teams aktiv einfordern. In traditionell, hierarchischen Unternehmen sieht sich die HR-Abteilung vor allem der Geschäftsführung gegenüber verpflichtet. In modernen Organisationen ist das nicht so. Zum Anderen meiden moderne Organisationen zentrale Einheiten wo sie nur können. Die Verantwortung liegt bei den Teams, die direkt am Kunden oder im Zentrum der Wertschöpfungskette arbeiten. Das gilt auch für personalrelevante Themen. Ich habe viele Organisationen dieser Art gesehen. Die Mitarbeiter dort hassen es, wenn jemand aus einer zentralen Einheit sich aufführt, als wüsste er besser, was für die Leute gut ist.
saatkorn.: Vor diesem Hintergrund kann man ja auch die aktuelle Diskussion zwischen den Polen Sattelberger und Sauer sehen. Während Ersterer die Transformation als zentrale Aufgabe der HR Funktion in den Fokus stellt, baut Zweiterer darauf, dass im Fokus zunächst mal die Administration stehen sollte. Wie siehst Du das?
Ach, das ist eine Diskussion, die außerhalb von HR kein Mensch versteht. Der eine argumentiert normativ, der andere deskriptiv. Vermutlich haben beide Recht.
Damit HR als Transformer auftreten kann müsste der CEO das aus tiefster Überzeugung wollen. HR müsste intern die Kompetenz zugeschrieben werden, eine Transformation voranzutreiben. HR müsste selbst darin gefestigt sein und in der Lage sein Andere zu mobilisieren. Ich bin da insgesamt nicht sehr optimistisch.
Eine Transformation der Arbeitswelt und der Unternehmenskultur ist unglaublich schwer bis fast unmöglich. Aus einem agilen Unternehmen ein hierarchisches Unternehmen zu machen ist vergleichsweise einfach, das geht fast von allein. Den umgekehrten Fall gibt es meines Wissens nicht bzw. nur in Ansätzen, was verdeutlicht, über welche Herausforderung wir hier sprechen. Da braucht HR erst gar nicht mit seinem Change-Management-Köfferchen antreten. Am Ende reden wir bestenfalls über kleine Veränderungen auf einer sehr langen Reise.
saatkorn.: Du kommst als Berater viel in Organsiationen herum. Wie ist Dein Eindruck: bewegen sich viele schon in die neue Richtung oder ist da noch ganz erheblicher Nachholbedarf?
Es geht aus meiner Sicht nicht um die Frage, ob HR Transformationen begleiten oder vorantreiben soll. Soweit sind wir noch nicht. Das eigentliche Problem ist, dass HR bei vielen Unternehmen eher im Wege steht. HR behindert Veränderungen und zementiert mit zahlreichen Systemen den Status Quo. Das ist ziemlich tragisch.
Viele Unternehmen sind schon viele weiter, als ihre eigenen Personalabteilungen. Es gibt unendlich viele Beispiele dazu: Ich sehe Unternehmen, die verstanden haben, dass eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und das Teilen von Wissen und Erfahrung super wichtig ist. Aber durch Verteilungsvorgaben bei der Leistungsbeurteilung verhindern wir genau das. Verteilungsvorgaben schüren Wettbewerb und verhindern Kollaboration. Dabei wäre letzteres doch wirklich wichtig.
Die meisten Talentmanagementsysteme sind bestens dazu geeignet, bestehende Strukturen und Systeme zu reproduzieren anstatt sie aufzubrechen. Mit unseren Ansätzen, die auf Individuen und einzelne Jobs fokussieren haben wir es in den vergangenen Jahren toll hingekriegt, Vielfalt und Teamarbeit zu verhindern.
Das traditionelle, jährliche Mitarbeitergespräch ist hervorragend dazu geeignet, moderne Führung zu beschädigen. Man zwingt Führungskräfte dazu, über Mitarbeiter zu richten, was gute Führungskräfte, die partnerschaftlich oder als Coach auf Augenhöhe führen niemals tun würden. Aber HR besteht darauf. Das ist aber nur ein Aspekt rund um diesen Ansatz. Das jährliche Mitarbeitergespräch kann in sehr vielfältiger Weise toxische Wirkung entfalten. Die Nebenwirkungen sollte man kennen und sind abhängig von den Rahmenbedingungen im Unternehmen. Ähnlich sieht dies auch bei anderen Instrumenten und Ansätzen aus.
saatkorn.: Was sind Deine Tipps für PersonalleiterInnen? Worauf kommt es an, welche konkreten Schritte sollten Deiner Meinung nach unternommen werden, damit man eine gestaltende und nicht nur eine verwaltende Rolle im Unternehmen hat?
Naja, es braucht deutlich mehr als einen „Tipp“. Ehrlich gesagt sehe ich die Lage ziemlich dramatisch und ich mach mir echt Sorgen. Wenn Unternehmen mit der Digitalisierung und der bitter notwendigen Transformation Schritt halten wollen braucht es einen Bewusstseinswandel auf Seiten von HR, gänzlich neue Perspektiven mit anderen Lösungen. Was in den Lehrbüchern steht können wir größtenteils einstampfen. Man erreicht Agilität nicht mit einer hierarchischen Denkweise.
Mein klarer Rat ist, dass Personalleiter ihre HR-Systeme umfassend auf den Prüfstand stellen. Dafür werden sie Impulse von Außen benötigen. Voraussetzung ist allerdings, dass deren CEO das will.
saatkorn.: Armin, vielen Dank für das Interview. Und viel Erfolg mit Deinem neuen Buch!
3 Exemplare von „Unter den Erwartungen – Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt“ gibt es heute übrigens auf der saatkorn. facebook Seite zu gewinnen. Einfach HIER im entsprechenden Artikel kommentieren, warum das Buch ausgerechnet DIR gehören sollte. Viel Glück!
Die Menschen verändern sich mit ihren Werten, sie leben bewusster in vielerlei Hinsicht. Techniken verändern sich ebenso. Unsere Gesellschaften verändern sich.
Damit ändern sich die Anforderungen an die Führung und Unternehmen und vermutlich auch an die Teamzusammenstellung. Themen und Projekte müssen heute schon parallel gestämmt werden – Tendenz zunehmend. Die Teams werden vermutlich auch zunehmend dynamisch zusammengesetzt. Die Mitarbeitergespräche benötigen eine neue Versionierung. Ein Gespräch für einen Ein-Jahres-Zeitraum, ohne regelmäßige Zwischengespräche ist m.E. nicht mehr zeitgemäß.
Daher begrüße ich es sehr, dass dieses Thema genauer betrachtet wird.
Wir sind alle soziale Wesen, wie könnten wir ohne regelmäßige sinnhafte Gespräche auskommen?!?
Ebenso sollten die Führungskräfte und Unternehmensleiter ihre Coaching-Fähigkeiten und-Fertigkeiten weiter ausbauen, um in sehr guten Kontakt zu ihren Mitarbeitern zu stehen, Ihr Produktivitätsfaktor Nr. 1.