Arbeitgebersiegel werden seit Jahr und Tag heftig diskutiert. Ob Arbeitgebersiegel ein Muss oder doch nur ein Nice to have sind, hat Alexander Hohaus in einer aktuellen Studie untersucht. Ich hatte Gelegenheit, mal genauer nachzufragen. Auf geht’s:
Arbeitgebersiegel: Muss oder Nice to have?
saatkorn.: Herr Hohaus, bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Mein Name ist Alexander Hohaus, ich bin 28 Jahre alt und habe im Bachelor BWL mit den Schwerpunkten Kommunikation, Marketing und Arbeitsrecht studiert. Beruflich bin ich bei der apoBank in der Welt des Personalmarketings unterwegs und trage dazu bei, dass wir als attraktiver Arbeitgeber von unseren Zielgruppen wahrgenommen werden. Nebenbei absolviere meinen Master of Science in Human Resource Management an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management.
saatkorn.: Sie haben eine Studie zur Nutzung von Arbeitgebersiegeln durchgeführt. Was war das Setting der Studie?
Holen wir doch einmal ein wenig aus 😉 Als ich im Sommer 2014 mit meinem nebenberuflichen Masterstudium begonnen habe, hatte mich das Thema „Arbeitgebersiegel“ schon gepackt und ich dachte mir, da muss doch einmal eine empirische Studie zeigen, inwiefern diese Siegel denn den Bewerber beeinflussen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auf dem Markt inzwischen über 200 solcher Siegel gibt. Als dann im Wintersemester 2015/2016 das Modul „Personalforschung“ anstand und somit eine empirische Studie erstellt werden sollte, war mir recht schnell bewusst, zu den Arbeitgebersiegeln gab es noch nicht wirklich etwas, also traust du dich an das Thema einmal dran und nimmst dazu die Zielgruppe Studierende. So kam´s zu der Themenwahl und Forschungsfrage: „Inwiefern beeinflussen Arbeitgebersiegel die Arbeitgeberwahl von Studierenden?“. Und dank Online-Befragung und sozialer Netzwerke kam schnell eine Teilnehmeranzahl von über 300 Studierenden in Voll- und Teilzeitstudiengängen zusammen.
saatkorn.: Wie ist denn das Verhalten von Bewerbern bei der Arbeitgeberwahl?
Das Verhalten von Bewerbern in puncto Arbeitgeberwahl lässt sich anhand des Stimulus-Organism-Behavior-Performance-Modells (SOBP) veranschaulichen. Das SOBP Modell ist eine Weiterentwicklung des Stimulus-Organism-Response Paradigma, wobei der Organismus als Black Box in Betracht gezogen wurde. Durch das SOBP Modell lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Absicht einer Bewerbung und der tatsächlichen Bewerbung herstellen.
In diesem Modell erfolgt eine Konkretisierung des Verhaltens bei der Arbeitgeberwahl von Bewerbern (Organism) unter Berücksichtigung externer Stimuli, welche sich zum einen als individuelle Bewerberpräferenzen und zum anderen als Einflussfaktoren auf das Verhalten von Bewerbern aufteilen. Die Stimuli haben Einfluss auf den kognitiven Prozess möglicher Bewerber. Jeder einzelne Schritt von Wahrnehmung bis zur Entscheidung im SOBP-Modell bietet für die Arbeitgeber Ansatzpunkte für die Integration von Kommunikationsmaßnahmen.
Die Punkte Prestige, Attraktivität und Absicht dienen als Outputmaße des kognitiven Bewerbungsprozesses und bringen das Verhalten des Bewerbers zum Ausdruck. Unternehmen können somit Stimuli einsetzen, um den Bewerber so zu beeinflussen, dass aus einer Bewerbungsabsicht eine tatsächliche Bewerbung generiert wird. Abgeleitet auf die Zielgruppe der Studierenden bedeutet dies also, dass die Arbeitgeber die Studierenden auf Basis ihrer Erwartungen gewinnen und ihre attraktiven Merkmale gegenüber dem Wettbewerb in den Vordergrund stellen sollten. Und hier lassen sich entsprechend die Arbeitgebersiegel platzieren und können als Wettbewerbsvorteil zu den eigenen Wettbewerbern dienen.
Wer zu dem SOBP Modell mehr erfahren möchte, dem seien folgende beiden Bücher empfohlen, welche auch als Literatur gedient haben:
- Becker, W., Staffel, M., Ulrich, P. (2011): Experimentelle Untersuchung des Bewerberverhaltens
- Becker, W., Staffel, M., Ulrich, P. (2010): Rekrutierung von Führungsnachwuchs in mittelständischen Unternehmen – ein verhaltensorientierter Ansatz, in: Kathan, D., Letmathe, P., Mark, K., Schulte, R., Tchouvakhina, M., Wallau, F. (Hrsg.): Wertschöpfungsmanagement im Mittelstand – Tagungsband des Forums der deutschen Mittelstandsforschung
saatkorn.: Wie steht es um die Bekanntheit verschiedener Siegel?
Vorweg, fast 25% der Teilnehmer haben angegeben, dass ihnen keines der vier getesteten Siegel bekannt ist. Schon eine erstaunlich hohe Prozentzahl, da bewusst vier bekannte und namensstarke Siegel ausgewählt wurden. Wird die allgemeine Bekanntheit der vier Siegel betrachtet, lässt sich feststellen, dass das Siegel „Top Arbeitgeber“ (Top Employer / Top Employers Institute) mit über 50% die größte Bekanntheit aufweist. Mit mageren knapp 10% ist das „audit berufundfamilie“ Schlusslicht in der Bekanntheit. Great Place to Work mit 35% und der TÜV mit seinem Siegel als „TÜV ausgezeichneter Arbeitgeber“ mit 40% bewegen sich also genau dazwischen. Meiner Meinung nach sollte jedoch in zukünftigen Forschungen genauer betrachtet werden, ob bei Top Arbeitgeber der Name alleine schon Wirkung hat und beim TÜV ausgezeichneter Arbeitgeber, der Zusatz „TÜV“ eine entspreche Strahlkraft hat.
saatkorn.: Auf Basis der Studie lässt sich ein Ranking der Merkmale von Arbeitgebersiegeln erstellen. Welche Merkmale sind denn der Zielgruppe wichtig?
In der Befragung sollten die teilnehmenden Personen 12 Merkmale von Arbeitgebersiegeln nach ihrer Wichtigkeit zuordnen. Dabei wurde festgelegt, dass 1 = sehr wichtig und 12 = weniger wichtig ist. Die Merkmale welche getestet wurden, waren für das „audit berufundfamilie“ „Familienbewusste Personalpolitik“, „Arbeitszeit-modelle“ sowie „Familienbewusste Unternehmenskultur“.
Im Gegensatz standen „Kompetente Führung“, „Ausgewogene Vergütung“ und „Freundliche Arbeitsatmosphäre“ für das Siegel „Great Place to Work“.
Für das Siegel „TopArbeitgeber“ wurden die Merkmale „Führungskräfteentwicklung“, „Mitarbeiterentwicklung“ und „Talentstrategie“ ausgewählt.
Für das abschließende Siegel „TÜV ausgezeichneter Arbeitgeber“ standen die Merkmale „Werte & Leitbild prägen die Personalpolitik“, „Aktives Gesundheitsmanagement“ sowie „Definierter Prozess für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter“
Auf Basis der Rangfolge der Wichtigkeit von Merkmalen von Arbeitgebersiegeln ergab sich, dass Studierenden eine ausgewogene Vergütung, eine freundliche Arbeitsatmosphäre und Arbeitszeitmodelle wichtig sind. Eher weniger wichtig sind ein aktives Gesundheitsmanagement, ein definierter Prozess für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie dass Werte und Leitbild die Personalpolitik prägen. Also bewegen wir uns hier genau in dem Rahmen, welcher auch immer wieder in Studien zur Generation Y und Generation Z belegt wird.
saatkorn.: Wie schaut denn die Zuordnung zwischen Merkmalen und Siegeln aus? Ist diese übereinstimmend?
Hierbei lässt sich feststellen, dass einige Merkmale eindeutig dem richtigen Siegel zugeordnet werden können.
So gaben 90 % der befragten Personen, welche das „audit berufundfamilie“ kennen, an, dass das Merkmal „Familienbewusste Personalpolitik“ zum Siegel „audit berufundfamilie“ gehört. Ebenfalls mit der gleichen Prozentzahl vertreten ist das Merkmal „Familienbewusste Unternehmenskultur“. Richtig, aber nicht ganz so eindeutig wurde das Merkmal „Arbeitszeitmodelle“ von 66 % der befragten Personen, welche das „audit berufundfamilie“ kennen, dem gleichen Siegel zugeordnet.
Ein etwas anderes Bild ergab sich bei den befragten Personen, die das Siegel „Great Place to Work“ kennen. Hier erfolgte nur in einem Fall eine eindeutige Zuordnung des Merkmals zum Siegel. So gaben 78 % der befragten Personen, welche das Siegel „Great Place to Work“ kennen, an, dass das Merkmal „Freundliche Arbeitsatmosphäre“ zum Siegel „Great Place to Work“ gehört. Bei den Merkmalen „Kompetente Führung“ und „Ausgewogene Vergütung“ lag die Zuordnung in beiden Fällen mehr zum Siegel „Top Arbeitgeber“ (Top Employers Institute), sodass hier die Assoziation von Merkmal und Siegel nicht korrekt war.
Die höchste Übereinstimmung zwischen Merkmal und Siegel konnte bei Personen, die angaben, dass sie das Siegel „Top Arbeitgeber“ (Top Employers Institute) kennen, festgestellt werden. In allen drei Fällen war die Zuordnung eindeutig. So gaben 73 % der befragten Personen, die das Siegel „Top Arbeitgeber“ (Top Employers Institute) kennen, an, dass das Merkmal „Führungskräfteentwicklung“ dem Siegel „Top Arbeitgeber“ (Top Employers Institute) zuzuordnen ist. Ebenfalls eindeutig ist die Zuordnung der Merkmale „Mitarbeiterentwicklung“ (75 %) und „Talentstrategie“ (76 %).
Auffällig ist jedoch, dass bei den befragten Personen, welche keines der vier im Vorfeld genannten Siegel kannten, die Assoziation zwischen Merkmal und Siegel bei acht von 12 Fällen korrekt war. Also hat der Name des Siegels allein schon eine entsprechende Wirkung auf die Studierenden.
saatkorn.: Was glauben Sie: wie entwickelt sich die Relevanz von Arbeitgebersiegeln in den nächsten Jahren?
Auf Basis der Studienergebnisse lässt sich erst einmal festhalten, dass zukünftig die Relevanz von Arbeitgebersiegeln über der Relevanz von heutzutage liegt. Es liegt aber auch daran, dass durch die hohe Masse von Arbeitgebersiegeln (wir sprechen von über 200) Unternehmen auffallen, die kein Siegel in ihrer HR-Kommunikation haben.
Durch die veränderten Werte der Generationen könnte es dazu führen, dass abgehende Schüler sich an den Siegeln orientieren, da diese ohne großartige Orientierung aus der Schule in Richtung Ausbildungs-/Arbeitsmarkt kommen. Mit zunehmender Berufserfahrung und Studiendauer nimmt der Einfluss der Siegel jedoch ab. Vermutlich konzentrieren sich die Bewerber dann mit anderen Entscheidungsfaktoren, als ihren Blickwinkel auf die Arbeitgebersiegel zu legen. Spannend ist auf Basis der Studie jedoch, dass erkennbar wird, dass der zukünftige Einfluss von Arbeitgebersiegeln insbesondere bei weiblichen Teilnehmern steigt.
saatkorn.: Welche Handlungsempfehlungen können Sie auf Basis Ihrer Studie Arbeitgebern in diesem Kontext geben?
Da sich die Merkmale von Arbeitgebersiegeln nicht immer eindeutig den einzelnen Siegeln zuordnen lassen und die Studierenden einige Merkmale mit anderen Siegeln assoziieren, ist eine richtige Kommunikation und Einbindung der Siegel wichtig.
Trotz der Überfrachtung des Marktes mit Arbeitgebersiegeln kann festgestellt werden, dass Arbeitgebersiegel die Wahl des Arbeitgebers bei Studierenden beeinflussen. Durch die Steigerung des Einflusses ist es für Unternehmen von Bedeutung, die Merkmale des erworbenen Siegels deutlich präsenter und prägender in die Kommunikation auf der Karriere-Website, in Stellenanzeigen, im Social-Web etc. zu integrieren.
Ein nachhaltiger Erfolg kann dann erzielt werden, wenn die Assoziation von Merkmal und Siegel übereinstimmen und die Studierenden entsprechend bei der Arbeitgeberwahl beeinflusst werden. Zudem ist durch die Vielzahl an Arbeitgebersiegeln die Gefahr gegeben, dass Unternehmen ohne Siegelpräsentation negativ auffallen und andere Unternehmen entsprechend attraktiver wahrgenommen werden.
saatkorn.: Ist Ihre Studie irgendwo erhältlich?
Ja, da die Studie im Rahmen meines berufsgleitenden Masterstudiums in HR Management entstanden ist, kann diese kostenfrei HIER heruntergeladen werden.
saatkorn.: Herr Hohaus, vielen Dank für das Interview rund um das Thema Arbeitgebersiegel.