Anna Ott hatte ich schon seit Längerem auf meiner Interview-Liste. Anfang Juni wird sie auf dem #RC18 das HR TECH Panel moderieren – Ein super Grund, bei der Digital Recruiting und HR Startup Expertin einmal genauer nachzufragen. Seit Anfang 2018 ist sie „Head of Startup Ecosystem“ der UNLEASH Gruppe. Vorher hat sie für den Inkubator der Deutschen Telekom, hub:raum, als HR Experte die Portfoliounternehmen betreut. Also – auf geht’s:
saatkorn.: Frau Ott, Hand auf’s Herz: welchen Satz unterschreiben Sie eher: „HR & TECH: 2 Welten, die aufeinander stoßen.“ Oder: „HR & TECH – gesucht und gefunden.“?
Anna Ott Definitiv den zweiten. HR hat zwar nicht nach Tech gesucht, es aber inzwischen gefunden und sieht das Potenzial durch Technologien unseren Beruf endlich ins digitale Zeitalter zu manövrieren. Ein bißchen wie im echten Leben also und definitiv keine Zwangsehe!
saatkorn.: Nach Stationen u.a. bei Bertelsmann und Lycos haben Sie für die Deutsche Telekom den Inkubator hub:raum aufgebaut. Was waren die wichtigsten Erfahrungen aus dieser Zeit?
Anna Ott Der Brennpunkt zwischen Konzern und Startupwelt zieht sich ja in der Tat durch meine berufliche Laufbahn auch wenn ich mich eindeutig mehr in der Startupwelt sozialisiert sehe. Aber gerade die Verbindung zwischen beiden ist heute wichtiger als je und da gibt es vielfältige Spielweisen. Mit hub:raum haben wir selbst einige Zeit gebraucht um ein Modell zu finden, dass mit einem „Tanker“ wie der Deutschen Telekom funktioniert. Ich nehme vor allem mit: wenn beide Seiten voneinander lernen, entsteht etwas, dass von Bestand sein kann. Das geht nie mit Hauruck und nicht über Nacht und hat v.a. mit Respekt und Authentizität zu tun.
saatkorn.: Seit Kurzem kuratieren Sie nun für Unleash das HR Startup Ökosystem. Was muss man sich darunter vorstellen, welche Zielsetzung verfolgt Unleash damit?
Anna Ott Als eine der wichtigsten Plattformen für Theme der Zukunft der Arbeit, hat UNLEASH seit Jahren auch Startups in die internationalen Shows involviert. Diese stehen für die zukünftigen Innovationen, die manchmal auch um einiges radikaler sind, als was sich am Markt schon durchgesetzt hat. Ich persönlich fand das schon als Teilnehmer und Redner bei UNLEASH immer am inspirierendsten zu sehen, an welchen Themen junge Teams arbeiten, die unsere Arbeit als HRler oder die persönliche Karriere beeinflussen werden. Es ist also ein strategisches Element unserer Veranstaltungen die sich ja per se um die Zukunft drehen – was symbolisiert und veranschaulicht das besser als Startups?!
saatkorn.: Wenn Sie die deutsche HR Startup Szene (die ich in der saatkorn. Serie regelmäßig portraitiere) mal in den europäischen Vergleich setzen, wo stehen wir da?
Anna Ott In Europa sind wir meiner Recherchen nach zahlenmäßig auf Platz drei hinter dem angelsächsischen und dem stark aufholenden französischen Markt. Da nehme ich jetzt frecherweise aber einfach mal den DACH Markt zusammen. Ich finde die Qualität an Gründern und Produkten absolut parkettsicher auf internationalen Bühnen und bin sehr stolz zu sehen, wenn wir in bspw. der US Show von UNLEASH in Las Vegas deutsche Teams dabei haben.
saatkorn.: Und global?
Anna Ott Die US sind umumstritten vorne was Größe an Startupszene betrifft, was sicherlich auch an dem verfügbaren (Risiko)kapital liegt. Ich hoffe aber es etablieren sich auch in Europa noch mehr Venture Capitalists die sich gezielt mit Technologien rund um die Zukunft der Arbeit beschäftigen und hier ein stabileres Netzwerk mit mehr Anlaufstellen entsteht.
saatkorn.: Was sind die verschiedenen thematischen Strömungen, die man in der deutschen HR TECH Szene sehen kann?
Anna Ott Nicht zu übersehen sind die Vielzahl von Talent Acquisition Lösungen die es schon seit einiger Zeit gibt. Wir haben aber auch viele passionierte HR Tech Gründer die aus eigenen Erfahrungen als Mitarbeiter von (insbesondere digitalen) Unternehmen gegründet haben und sich mit Lösungen beschäftigen, die v.a. der Weiterentwicklung des einzelnen beschäftigen wie z.B. Performance Reviews, Feedback, Mentoring z.B.. Was ich auch sehe, dass durch die letzten 2 Dekaden an Startupgenerationen plus internationalen „Hubs“ wie Berlin absolut vorne mitspielen wenn es um den Einsatz von neuen Technologien wie bspw. Künstliche Intelligenz geht.
saatkorn.: Also geht es nicht mehr nur um „post & pray“, sondern um komplexe, ganzheitliche Szenarien?
Anna Ott Ich finde ja dass schon längst „Source and Spray“ diese Zeit abgelöst hat und merke dass es inzwischen vielmehr um „Nurture and Engage“ geht – also nicht mehr Fremde auf sozialen Netzwerken „stalken“ und versuchen zu Kandidaten zu konvertieren, sondern kluge Talentpools zu bauen die auch die bestehenden Mitarbeiter beinhalten, um diese im stetigen Dialog zu halten. Das ist hoffentlich das nächste Kapitel in der Talentakquise.
saatkorn.: Was sind für eine prosperierende HR Startup Szene die richtigen Voraussetzungen? Welche Rahmenbedingungen müsste die Politik Ihrer Meinung nach verbessern?
Anna Ott Wie man an Frankreich sieht spielt die politische Unterstützung und Wertschätzung in der Innovationswirtschaft natürlich eine klare finanzielle Rolle. Da kann man sich hier einiges abschauen und ich hoffe, dass Deutschland hier noch aufholt. Ich glaube viel Potenzial liegt darin strukturiert in Technologien und Gründerzentren zu investieren, die bestenfalls auch aus der Privatwirtschaft mitgefördert werden. Und gerne auch nicht nur in Hotspots wie Berlin, sondern auch in den Regionen. Ostwestfalen ist da finde ich gerade ein schönes Beispiel wie sowas gehen kann 🙂
saatkorn.: Wie wird sich die deutsche HR Startup Szene Ihrer Meinung nach mittelfristig entwickeln?
Anna Ott Ich hoffe – wie global auch – dass es mehr kombinierte Lösungen gibt. Also nicht nur Technologien und Produkte die genau einen kleinen Problemteil im Leben eines Personalers lösen, sondern mehr integrierte Lösungen. Als Unternehmen – egal welcher Größe – kann man nicht eine Klaviatur von 100 Einzellösungen bespielen, sondern braucht Plattformen und integrierte Ansätze die auch mit Schlachtschiffen wie SAP mithalten können. Ich glaube da gibt es auch Potenzial für Startups sich zusammenzuschließen und „bundles“ anzubieten die miteinander kommunizieren.
saatkorn.: Welche HR Startups finden Sie aktuell besonders spannend?
Anna Ott Ich persönlich bin ja vom Herzen immer noch Recruiter, aber ich liebe alles was ein wenig abseits von eingesessenen Prozessen ist und uns dazu bewegen, neue Wege zu gehen. Ich mag da jetzt kein Team besonders hervorheben, aber alles was einen Personaler zum umdenken zwingt, finde ich grundsätzlich gut.
saatkorn.: Was empfehlen Sie GründerInnen, die in der HR Startup Szene etwas aufbauen wollen?
Anna Ott Sich vor allem mit anderen HR Gründern zu verbinden und auszutauschen. Wir müssen alle gemeinsam an dem Label „HR Tech“ arbeiten, das noch arg unterrepräsentiert ist als Kategorie. Ich kenne keine Startupkonferenz die hier eigene „Streams“ anbietet, sondern nur HR Konferenzen die sich auf Startups stürzen, was ja schon mal gut ist. Wir tun das als UNLEASH sicherlich auch, um den Teams Sichtbarkeit zu geben, sie mit Investoren zu vernetzen und sie vor allem – auch ganz früh schon – mit potenziellen Kunden in Kontakt zu bringen, damit sie Feedback bekommen. Das ist nämlich ebenso wichtig: Kontakt zu HR Entscheidern suchen, auch bevor das Produkt fertig ist. Die meisten Teams die ich sehe, bauen nämlich disruptive Produkte weil sie keinen HR Tunnelblick haben, aber das Verständnis für den Alltag in HR braucht es ja schon!
saatkorn.: Warum gibt es so wenige Frauen in der HR Startup Szene?
Anna Ott Ich habe den Eindruck hier gibt es proportional mehr als in anderen Bereichen wie FinTech oder PropTech, aber das stimmt natürlich schon, dass es immer noch nicht die Hälfte ist. Brauchen wir mehr Mut? Mehr Unterstützung von Investoren? Ideen sollten ja nicht der Mangel sein. Die Frage wird mir schon lange gestellt und ganz klar kann ich sie nicht beantworten. Weil es sicherlich auch keinen singulären Grund dafür gibt.
saatkorn.: Zu guter Letzt: wann gibt es das erste Startup von Ihnen selbst?
Anna Ott Ich finde ja alle meine Jobs bisher hatten immer was von Aufbauarbeit und Startup, aber waren sicherlich kein eigenes HR Produkt. Ich verschenke meine Produktideen bisher immer an andere Gründer und freue mich wenn die was draus machen. Ich glaube nämlich ich stifte mehr Wert als Netzwerkknoten als als Gründer, aber wer weiß schon was passiert. 🙂
saatkorn.: Vielen Dank für das Interview – ich freue mich schon auf den #RC18 und das HR TECH Panel!