Alles zur Indeed Bewerbungsstudie 2016
Interessantes Lesefutter: die Indeed Bewerbungsstudie 2016. Ich hatte Gelegenheit, mit Indeed Geschäftsführer Frank Hensgens zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Gerade wurde sie veröffentlicht, die Indeed Bewerbungsstudie 2016. Was war das Setting der Studie?
Für die Studie haben wir in Zusammenarbeit mit einem Marktforschungsunternehmen 518 Personalverantwortliche und 1024 Bewerber befragt. Wir wollten wissen: Wie sieht die klassische Bewerbung denn nun aus? Wo überschneiden sich Personaler und Bewerber und wo gehen die Vorstellungen auseinander? Die Fragebögen wurden daher bewusst sehr ähnlich gehalten, um Personaler und Kandidaten wirklich gegenüberstellen zu können.
saatkorn.: Offensichtlich gibt es in vielen zentralen Dimensionen ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen von Bewerbern und der Einschätzung von Personalern rund um das Thema “Bewerben”. Wo liegen hier die eklatantesten Lücken?
Wirklich erschreckend fand ich die Antwort auf die Frage: “Haben Sie schon einmal einen Bewerbungsprozess abgebrochen, weil er zu kompliziert war?” Ganze 42 % der Bewerber sagten dies – da stimmt doch was nicht! Und als wir die Zahl bei uns im Büro das erste Mal vorstellten, hatte fast jeder eine Anekdote zu erzählen, bei der er oder sie frustriert und genervt eine Bewerbung abgebrochen hat.
Exemplarisch fand ich aber auch die Frage nach dem Zeitaufwand. Personaler erwarteten von Bewerbern im Schnitt 51 Minuten Zeitinvest. Bewerber selbst fanden 42 Minuten pro Bewerbung angemessen, verbringen in der Realität aber ganze 74 Minuten mit jeder einzelnen Bewerbung. Kein Wunder, wenn man schaut, wieviele Unterlagen verlangt werden – und wie dominant Email und Papier noch sind.
saatkorn.: Wie erklären Sie sich dieses Gap zwischen Anspruch und Wirklichkeit vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Hypes um „Candidate Experience“?
Ich glaube, dass es zwei Ursachen für diese Differenzen gibt.
Erstens sind vielen Personalern die Herausforderungen des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels noch nicht ganz klar, entweder weil das Problem sie noch nicht so stark betrifft, oder weil Änderungsprozesse nun einmal schmerzhaft, mühsam und langwierig sind. Unter den befragten Unternehmen waren circa 80 % klassische KMU, die oft einen massiven Mangel an Auszubildenden beklagen. Aber gerade diese jungen Menschen nutzen doch das Internet via Tablet und Smartphone, wieso verlangen wir gedruckte Bewerbungen von vorgestern? Die Initiative des Unternehmens Otto vor ein paar Tagen fand ich gut, einfach mal das ungeliebte Anschreiben abschaffen. Sind wir doch mal ehrlich, wie viele Personaler lesen Anschreiben? Eben. Und in unserer Studie sagt jeder zweite Bewerber, dass dies der nervenraubendste Teil der Bewerbung sei.
Zweitens: Candidate Experience ist eben genau das, ein Hype. Wenn 22 % der Kandidaten in unserer Studie sagen, dass sie ein konkretes Jobangebot ausgeschlagen haben, weil die Candidate Experience nicht stimmte, ist das ein Warnsignal. Die HR-Verantwortlichen, mit denen wir täglich sprechen, haben das Problem aber fast alle erkannt, nur die tatsächliche Veränderung lässt oft auf sich warten. Dabei ist hier eigentlich keine Zeit zu verlieren – die richtigen Kandidaten sind ja jetzt auf Jobsuche.
saatkorn.: Gibt es auch Themen, in denen sich Bewerberanspruch und Personalererwartung decken?
Tatsächlich – und zwar erstaunlicherweise die Email- und Postbewerbung. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass auch Kandidaten diese beiden Wege noch so stark nutzen. Aber da muss man auch klar sagen, dass dies nun einmal die geläufigsten Wege sind, und auch Bewerber sind trotz der höheren Innovationsbereitschaft letzten Endes Gewohnheitstiere.
saatkorn.: Wenn man KMU und Großunternehmen in Punkto Bewerbungsprozess vergleicht, gibt es da große Unterschiede?
Da fand ich die Ergebnisse der Personalwirtschaft-Studie von Prof. Dr. Jäger, die in Zusammenarbeit mit Milch & Zucker und Indeed entstand, sehr aufschlussreich. Die kleinen Unternehmen erhielten laut der Ergebnisse dort deutlich weniger Bewerbungen. Eine Befragung von uns im letzten Jahr, über die wir ja auch gesprochen hatten, zeigte, dass Geschwindigkeit der Einstellung und Qualität der Bewerber große Herausforderungen für KMU sind. Besonders groß ist die Aufgabe für die mittleren Unternehmen: Diese stehen in direkter Konkurrenz mit den Großkonzernen. Hier müssen sie sich durch besondere Angebote, flexible Arbeitsmodelle oder andere Vorteile hervorheben – und natürlich die Möglichkeiten des Recruitings im Netz voll ausnutzen, denn online sind wirklich alle gleich, wie ich immer gerne sage.
saatkorn.: Was sind basierend auf der Indeed Bewerbungsstudie 2016 Handlungsempfehlungen aus Ihrer Sicht für KMU und Großunternehmen?
Ich habe da drei ganz konkrete Dinge:
Erstens: Hören Sie auf die Kandidaten! Fragen Sie nach, wie lief der Bewerbungsprozess, was hätte besser laufen sollen, warum haben Sie die Stelle ausgeschlagen? In unserer Befragung sagten nur 45 % der Personaler, dass sie dies regelmäßig machen. Und 66 % überarbeiteten auf Basis dieses Feedbacks ihren Prozess, die Bewerber hatten also offensichtlich gute Vorschläge.
Zweitens: Messen Sie Ihr Recruiting! Nur 14 % der Befragten nutzen ein Bewerbermanagementsystem, dabei kann Automatisierung so viele der alltäglichen Recruiting-Herausforderungen lindern, Effizienz steigern und – ganz entscheidend – auch die Candidate Experience.
Drittens: Keine Angst vor Technik! Das gilt nicht nur für Bewerbermanagementsysteme, sondern auch für mobile Bewerbungsprozesse. Technik beisst nicht. Sie wird auch die Personaler nicht ersetzen. Sie unterstützt Bewerber und Personaler und macht das Leben und den Bewerbungsprozess für alle einfacher. Wir Deutschen sind ja gerne mal ein wenig technophob, aber außerhalb der Komfortzone warten optimierte Prozesse, bessere Candidate Experience und bessere Hires.
saatkorn.: Herr Hensgens, vielen Dank für das Interview zur Indeed Bewerbungsstudie 2016!