ACTIVE SOURCING: aktuelle Studie und Interview
ICR hat diese Tage die aktuelle ACTIVE SOURCING Studie herausgebracht. Grund genug für ein Interview mit ICR Initiator Wolfgang Brickwedde. Let’s go:
saatkorn.: Wolfgang, bitte erläutere den saatkorn. LeserInnen doch das Set-Up Deines ersten „Active Sourcing Reports“. Wie viele und welche Personen wurden befragt?
Die Studie habe ich im zweiten Halbjahr 2013 unter mehr als 5.000 Personal-verantwortlichen, durchgeführt. Die mehr als 400 Teilnehmer an der Studie kommen aus allen Wirtschaftsbereichen mit einem Schwerpunkt in der IT (28%). Weitere: Automobil- und Fahrzeugbau (10%), Elektrotechnik- und Mechanik (8%), Finanzdienstleistung (7%). Hinsichtlich des Karrierelevels kommen die Teilnehmer aus den verschiedensten Funktionsebenen mit diesen Schwerpunkten: Fachkraft (35 %), Senior Fachkraft/Teamleiter/Projektleiter (28%), und Abteilungsleiter/Manager (17%).
Über die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen hat weniger als 500 Mitarbeiter, aber die Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern sind auch gut vertreten mit ca.15%.
saatkorn.: Nun ist das Thema Active Sourcing ja weniger aufgrund mangelnder Erkenntnis sondern aufgrund der Umsetzung eine Herausforderung. Warum tun sich mit dem Thema so viele Personalabteilungen schwer?
Ganz so weit sind wir leider noch nicht, da noch viele HR-ler im althergebrachten „Post & Pray Recruiting“ verhaftet sind. Auch der Begriff „Active Sourcing“ bedarf oft noch einer Erläuterung. Vielleicht kann ich hier gleich etwas dafür tun? Unter Active Sourcing wird in der Online-Ausprägung die Nutzung von Suchmaschinen, Sozialen Netzwerken und Netzgemeinschaften, für Zwecke der kurz- und mittelfristigen Stellenbesetzung verstanden. Damit grenzt sich Active Sourcing auch von der Direktansprache von Kandidaten, meist über das Telefon, betrieben von Personalberatungen, ab.
Meine Vermutung, warum dies noch ein etwas weiterer Weg ist, liegt im Paradigmenwechsel des Recruitings. Früher haben wir eine Anzeige geschaltet in Print-, später in Online-Medien, die Bewerber trudelten ein und wir konnten auswählen, wen wir einladen und dann auch einstellen wollten. Jetzt haben wir in vielen Bereichen einen Bewerbermarkt und die Ausbeute von Anzeigen sinkt stark in Hinsicht auf Qualität und Quantität. Das heißt für die Personaler, um Stellen besetzen zu können, müssen sie heute schon und in Zukunft noch viel mehr proaktiv auf potentielle Kandidaten zugehen und um diese werben.
Bisher war einer Personaler noch kein Vertriebler oder Marketeer. In Zukunft ist dies die Voraussetzung für ein erfolgreiches Recruiting, wie auch das Kompetenzprofil des Recruiters 2.0 zeigt. Soweit sind aber noch nicht alle Personaler, und einigen liegt dies auch nicht. Das ist m.E. der Grund, warum sich viele Personalabteilungen noch schwer tun.
saatkorn.: Hand aufs Herz: geht es den meisten HR Abteilungen nicht noch zu gut? – Bevor man seine Prozesse ändert und Personal schult, muss man doch erst richtige Schmerzen haben, Stichwort Fachkräftemangel. Spüren den die Unternehmen Deiner Meinung nach eigentlich schon?
Ja, definitiv. Mehr als 90% der Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen, davon fast die Hälfte deutliche oder sogar große Probleme bei der Stellenbesetzung. Es gibt natürlich auch noch Positionen, wie z.B. die eines Marketing-Assistenten, bei der sich Personaler vor der Masse an Bewerbungen fürchten. Der Normalfall sieht aber anders aus. Die Schmerzen sind da und der Wille zur Veränderung auch, wie die starke Veränderung der Proaktivität seit 2010 deutlich zeigt. Jetzt geht es eher um die Frage des wie.
saatkorn.: Was sind die wichtigsten Active Sourcing Quellen und Netzwerke?
Bei der Frage nach der Wichtigkeit schauen wir uns vielleicht zunächst die Antworten auf die Fragen an, mit welchen Netzwerken und Suchmethoden die Active Sourcer vertraut sind und mit welchen Accounts sie diese Netzwerke nutzen. Am besten vertraut sind sie mit XING, CV-Datenbanken (z.B. von Experteer, Stepstone, Monster), LinkedIn und Google als Suchmaschine. Die meisten Active Sourcer nutzen regelmäßig für ihre Zugänge zu Social Media für Recruitingzwecke den XING Premium Account (76 %) gefolgt vom LinkedIn Basis Account (41 %). Auf dem dritten Platz liegt der XING Recruiter Account (35%) vor dem XING Talentmanager (34 %). Welches der Netzwerke oder Quellen liefert die besten Recruiting Ergebnisse beim Active Sourcing? Ein Vergleich der Nennungen für Platz 1 zeigt deutlich:
- XING liefert für Active Sourcer die besten Recruiting Ergebnisse.
- Auf Platz zwei folgen die CV-Datenbanken (z.B. Experteer, Stepstone oder Monster),
- auf Platz drei Linkedin.
saatkorn.: Was sind aus Deiner Sicht die relevantesten Handlungsmaßnahmen, um im Active Sourcing Erfolg zu haben? Was empfiehlst Du den Unternehmen?
Wie sieht so ein Prozess im Active Sourcing aus? Zunächst ist es wichtig, die vorhandenen Vakanzen zu unterteilen in Positionen, die für Active Sourcing in Frage kommen. Dies sind diejenigen, die dringend besetzt werden müssen und für die der Markt sehr eng ist. Dann sollte herausgefunden werden, in welchen Netzwerken oder sonstigen Quellen diese Zielgruppe zu finden ist.
Jetzt kommt die Kreativität ins Spiel, wenn es darum geht, aus einer Stellenbeschreibung die passenden, relevanten Schlüssel- und Stichwörter und genauso deren Synonyme herauszuarbeiten. Mit diesem Satz- an Komponenten wird dann eine Suchkette mit sogenannten Booleschen Operatoren gebaut, mittels deren man die Netzwerke der Zielgruppen zielgenau durchsucht. Die gefundenen Kandidaten anzusprechen und deren Interesse zu wecken, ist dann die Kür. Die Erfolgsfaktoren dabei sind:
- Die Qualität des Briefing-Gesprächs mit dem einstellenden Manager
- Die richtige Identifikation der passenden Quellen, in denen gesourct werden soll
- Die Herausarbeitung von korrekten und passenden Schlüsselwörtern
- Der elegante Aufbau einer Suchkette
- Die erfolgreiche Ansprache der Kandidaten
Als konkrete Tipps für den Start gebe ich dann noch mit:
- Erwarten Sie am Anfang keine Antwortraten über 20%
- Starten Sie am Anfang mit XING, dann mit Profil-Datenbanken und Linkedin
- Nutzen Sie für die Ansprache persönliche Angaben aus dem Profil des Kandidaten, die zur konkreten Vakanz passen
- Geben Sie in der Ansprache nur vage Informationen über die zu
- Besetzende Position, um zunächst einmal Interesse zu wecken
- Verlinken Sie in der Ansprache nicht zur einer konkreten Vakanz oder zum eigenen Arbeitgeber
- Nutzen Sie den Rat von erfahrenen Active Sourcer, diese sind effektiver und effizienter
saatkorn.: Wohin geht die Reise Deiner Meinung nach? – Wie wird sich das Thema Recruiting mittelfristig ändern?
Der angesprochene Paradigmenwechsel im Recruiting von einem Arbeitgebermarkt mit vielen Bewerbern, aus denen man aussuchen kann, hin zu einem Bewerbermarkt, bei dem man sich als Arbeitgeber um die Kandidaten bewerben muß – die Bezeichnung „Bewerber“ bekommt dann eine neue Bedeutung – findet bereits statt. Aus passivem Recruiting wird aktives Recruiting. Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel lassen auch keinen Hoffnungsschimmer zu, daß die „guten alten Zeiten“ wiederkommen, es sei denn, wir bekommen noch mal eine konjunkturelle Delle o.ä.. Sollte das nicht eintreffen, wird der Erfolg im proaktiven Recruiting erfolgskritisch für das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens sein – die ersten Unternehmen müssen heute schon aus Mangel an qualifizierten Mitarbeiten Projekt und Aufträge ablehnen. Nur wer als Unternehmen eine Schar ihm gewogener aktueller und potentieller Mitarbeiter um sich scharen kann ist für die Zukunft gewappnet.
saatkorn.: Wolfgang, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin!