Entkoppelt sich der Arbeitsmarkt von der Wirtschaftslage?

Entkoppelt sich der Arbeitsmarkt von der Wirtschaftslage?

Entkoppelt sich der Arbeitsmarkt von der Wirtschaftslage? – Diese auf den ersten Blick ziemlich dämliche Frage habe ich mir in letzter Zeit recht oft gestellt. Und ich hatte auf Basis vieler Gespräche den Eindruck, dass ich nicht der/die Einzige bin, der/die sich darüber Gedanken macht (und der zweite Blick möglicherweise anders aussieht). In Anlehnung an meine Eröffnungs-Keynote im Juni 22 auf dem #RC22 FESTIVAL (siehe Foto oben) heute aktualisierte Gedanken zum Thema.

Wo stehen wir laut Arbeitsmarktbarometer?

Verfolgt man die Wirtschaftsnachrichten seit Ausbruch des Ukraine-Krieges, muss man den Eindruck haben, dass alles zusammen bricht, die Rezession steht vor der Tür. Normalerweise bedeutet das: der Arbeitsmarkt bricht massiv ein. Jetzt leben wir bereits seit dem 24. Februar mit dem Ukraine-Krieg und dessen Folgen. Und das aktuelle Arbeitsmarktbarometer (Stand November 2022) sieht wie folgt aus:

IAB-AM-Barometer November 2022
IAB-AM-Barometer November 2022

Meiner Meinung nach ist das Arbeitsmarktbarometer deutlich besser, als es die Wirtschaftsnachrichtenlage erwarten lässt.

Was sagt die Bundesagentur für Arbeit?

Und wie steht es um die Arbeitslosigkeit, die ja in der obigen Grafik schon zwischen neutral und schlecht pendelt? – Laut Bundesagentur für Arbeit sah es im November 2022 wie folgt aus:

„Die Arbeitslosigkeit ist im November 2022 gegenüber dem Vormonat gesunken, und zwar um 8.000 auf 2.434.000. Saisonbereinigt hat die Zahl der Arbeitslosen um 17.000 zugenommen. Verglichen mit dem November des vorigen Jahres ist die Arbeitslosenzahl um 117.000 höher. Die Arbeitslosenquote lag im November wie im Oktober bei 5,3 Prozent und hat sich damit gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,2 Prozentpunkte erhöht.“

Nur zur Erinnerung: Vollbeschäftigung gilt aber einer Arbeitslosenquote von 5 %. So weit sind wir davon nicht entfernt. Auch wenn man sich die aktuellen Zahlen von StepStone oder Indeed anschaut, kann man nicht den Eindruck haben, dass der Arbeitsmarkt zusammenbricht. Wir befinden uns zwar nicht mehr auf einem Höhenflug wie in den 18 Monaten vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, haben uns aber auf (sehr) hohem Niveau eingependelt. Genau das bestätigt auch HeyJobs CEO Marius Luther in seinem monatlich erscheinenden HeyIndex für November:

„Es gibt ein interessantes Phänomen. Der Hey-Index von 0,77 aktiv Jobsuchende pro offene Stelle ist genau identisch wie im November vor einem Jahr. Es gibt sogar ca. gleichviele offene Stellen und aktiv Jobsuchende. Die spannende Frage angesichts der wirtschaftlichen Lage ist die weitere Entwicklung. Setzt sich der makrodemographische Trend der Arbeiterlosigkeit durch oder braucht es weniger Personal in Deutschland?“

Die Themen Demografie-Entwicklung und Digitalisierung führen dazu, dass sich der Arbeitsmarkt stabiler als die Wirtschaftslage insgesamt darstellt. Das ist für den Status Quo und die nächsten 3 Monate (zumindest laut obigem Arbeitsmarktbarometer) schön, aber wie ist die Einschätzung für 2023?

Wie sehen die Prognosen für 2023 aus?

Das ist natürlich schon ein wenig Glaskugel lesen, aber alle Gespräche, die ich in letzter Zeit geführt habe, zeichnen auf den Arbeitsmarkt bezogen eine entspanntere Situation, als man eigentlich erwarten dürfte. Die Prognosen in unserer Branche sind durchweg verhalten positiv, von Panik oder Weltuntergangsstimmung keine Spur.

Auf Basis des „Trend Report: So verändern sich Arbeitsmarkt und Recruiting 2023″ von Indeed & Glassdoor konnte ich auch ausführlich mit Dr. Annina Hering im SAATKORN Podcast sprechen. Die 5 Trends, welche Annina im Podcast beschreibt, sind

  1. Die Entwicklung vom Fachkräfte- zum Arbeitskräftemangel
  2. Remote Work wird zur neuen Normalität
  3. Gehälter alleine reichen nicht mehr, die Benefits müssen stimmen
  4. Mitarbeiter*innenzufriedenheit wird immer wichtiger
  5. Diversität wird entscheidend für die Arbeitgeberattraktivität

Wenn Dich das genauer interessiert, kannst Du hier die ganze Folge hören:

Außerdem hat sich Christoph Athanas in seiner letzten HR Total Folge mit genau diesem Thema befasst, hier sein Video:

Ich durfte in HR Total meine Meinung zum Besten geben. Natürlich habe ich den Spieß umgedreht und Christoph ebenfalls gefragt, wie er die Lage beurteilt, zumal er ja für HR Total auch eine Umfrage durchgeführt hat. Die Krisenreaktionen von Recruitingteams fasst er auf Basis seiner Daten wie folgt zusammen:

„Obwohl die Mehrheit der Befragten Arbeitgeber von Krisensymptomen wie bspw. hohen Energiepreisen oder Inflation betroffen ist, bleibt die Sicht der Recruitingteams eher optimistisch. Ich finde es erfreulich, wie die große Mehrzahl der Befragten Recruiterinnen und Recruiter die aktuellen Herausforderungen auch oder sogar überwiegend als Chance sehen. Entsprechend nehmen zahlreiche Arbeitgeber vor allem passende Kommunikationsmaßnahmen in Angriff, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber unter veränderten Bedingungen nach außen oder innen gegenüber ihrer Belegschaft zu zeigen. Es scheint, dass Recruiting- und Employer Branding-Teams durch die Erfahrungen in der Coronakrise flexibler und stärker geworden sind.“

Natürlich wollte ich dann auch wissen, ob er – entsprechend dem Titel dieses Beitrags – eine Entkopplung des Arbeitsmarktes von den allgemeinen Wirtschaftsdaten wahrnimmt. Hier sein Statement dazu:

„Wir können zunehmend eine Form der Auseinanderentwicklung in der Recruitingwelt sehen: Einerseits solche Arbeitgeber, die bedingt durch die Krisenauswirkungen nicht mehr rekrutieren. Andererseits jene Arbeitgeber, die weiter voll auf Personalsuche sind und ihre Aktivitäten ausbauen. Der Arbeitsmarkt sieht bisher erstaunlich stark aus. Es scheint, dass auch eine kommende (milde) Rezession den Fachkräftemangel nicht wird dämpfen können.“

Ich teile diese vor dem Hintergrund einer anstehenden möglichen Rezession doch recht optimistische Sichtweise. Jetzt interessiert mich:

➡️ WIE SIEHST DU DAS?

 

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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