Future Talents Report 2022 – Interview mit Kristina Bierer
Future Talents Report 2022: alles zum Thema PRAKTIKUM
Der Future Talent Report 2022 liegt vor. Und wie in jedem Jahr spreche ich dazu mit Kristina Bierer, Partnerin und Projektleiterin bei CLEVIS. Wer wissen möchte, wie es um das Thema PRAKTIKUM im Jahr 2022 steht, welche Auswirkungen Corona hat und welche Handlungsempfehlungen es für HR-Teams gibt, sollte jetzt weiterlesen. Viel Spaß:
Kristina Bierer von Clevis im Interview
SAATKORN: Kristina, bitte stell Dich doch den SAATKORN-Lesern und Leserinnen einmal kurz vor?
Ich bin Kristina Bierer und bin Partnerin und Projektleiterin bei der CLEVIS. Die CLEVIS GmbH ist eine HR-Beratung mit Sitz in München. Als Beratung mit dem Fokus auf HR haben wir uns seit der Gründung den Kernthemen HR-Digitalisierung, Business Transformation und HR-Strategieberatung verschrieben. Wir begleiten unsere Kunden dabei zukunftsfähige HR-Prozesse aufzubauen – das kann dann die Digitalisierung von HR-Prozessen, die Umsetzung von Transformationsvorhaben oder die Ausarbeitung einer HR-Strategie sein.
Wir denken die Prozesse immer aus dem Business heraus und bieten Expertise, wenn es darum geht HR neu zu denken, neu auszurichten, zu digitalisieren und zu positionieren. Und diese Expertise schöpfen wir auch aus dem Future Talents Report. Um sich zukunftsfähig aufzustellen, muss man sich als Arbeitgeber darauf einlassen und vorbereiten, was die eigene Attraktivität bei den Future Talents und damit den Fach- und Führungskräften von morgen ausmacht. Es gilt herauszufinden, wie man die kommenden Generationen an sich bindet und deren Potential als Unternehmen – insbesondere mit Blick auf die Digitalisierung – voll nutzt. Und dafür muss man wissen, was die Arbeitnehmer von morgen wollen und wo die Trends hingehen, beispielsweise im Bereich der Arbeitszeitgestaltung.
Über 3.000 befragte Future Talents
SAATKORN: Ihr habt in diesem Jahr bereits die 12. Ausgabe des Future Talents Reports veröffentlicht. Wie ist das Setting dieser Studienreihe?
Das ist richtig, es handelt sich um eine jährliche Befragung, die wir bereits zum zwölften Mal durchgeführt haben. Für die diesjährige Ausgabe wurden von Juli bis Dezember 2021 akademische Praktikant:innen und Werkstudent:innen befragt. Über 3.000 Future Talents haben so ihr Feedback zum Arbeitgeber, zum Praktikum und zu ihren Arbeitserfahrungen geteilt. Das Besondere am Future Talents Report ist, dass wir Arbeitgeber:innen dabei zwei Perspektiven von Future Talents auf das Unternehmen bieten: die interne und die externe. “Intern“ bedeutet die Bewertung der Arbeitgeberqualität aus Sicht der eigenen Future Talents und „extern“ die Bewertung des Markenimages durch Future Talents anderer Unternehmen.
Das Büro wird vermisst
SAATKORN: Was sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie? Wie hat sich das Praktikum nach mehr als zwei Jahren Pandemie entwickelt?
In Bezug auf die Pandemie-Bedingungen der vergangenen Praktika bemerken wir auf jeden Fall eine gewisse Homeoffice-Müdigkeit, viele Future Talents wollen wieder mehr ins Büro und vermissen die sozialen Kontakte. Gleichzeitig sind aber auch Themen wie die Nachhaltigkeit von Unternehmen zunehmend wichtiger für die kommende Arbeitnehmer:innen-Generation und auch die Familienfreundlichkeit des Arbeitgebers hat große Bedeutung.
In Bezug auf die Digitalisierung stellen wir fest, dass Future Talents in der digitalen Zusammenarbeit auch nach und befeuert von Corona die Zukunft sehen – es aber in Bereichen wie der IT-Ausstattung in einigen Branchen noch Aufholpotenziale gibt.
Praktika trotz Corona immer noch relevant
SAATKORN: Hatten die beiden Jahre Auswirkungen auf die Attraktivität des Praktikums?
Nein, das sehen wir in unseren Daten nicht. Es werden immer noch viele Praktika gemacht, wobei viele davon auch Pflichtpraktika sind. Es scheint, als hätte die Attraktivität des Praktikums als Möglichkeit Arbeitserfahrung zu sammeln und Kontakte zu knüpfen nicht abgenommen. Jedoch sehen wir, dass durch die vermehrte Tätigkeit im Homeoffice viele Praktikantinnen weniger soziale Kontakte knüpfen können, als sie es gern würden. Es hat also wohl vielmehr die Attraktivität der Homeoffice-Beschäftigung gelitten. Aber das gilt unserer Meinung nach nicht nur für den Bereich der Praktika und Werkstudententätigkeiten. Diese gewisse Müdigkeit zieht sich wohl eher durch die ganze Gesellschaft beziehungsweise alle Beschäftigungsverhältnisse.
Familienfreundlichkeit zählt
SAATKORN: Ein interessantes Ergebnis Eurer Studie ist die Tatsache, dass junge Menschen schon bei der Auswahl ihres Praktikums genau darauf achten, welcher Arbeitgeber als familienfreundlich gilt. Wie kommt es, dass Berufsstarter, die in der Regel ja selbst noch gar keine Familie haben, das Thema schon so früh auf dem Schirm haben?
Wir glauben, dass Future Talents sehr viel vorausschauender handeln als viele Arbeitgeber:innen es vielleicht antizipieren. Das sehen wir allein schon daran, dass knapp 90 Prozent der befragten Praktikant:innen und Werkstudent:innen hoffen, mit ihrem Unternehmen in Kontakt zu bleiben und ein Großteil davon später in Form einer Festanstellung in dem betreffenden Unternehmen bleiben will. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen, wie flexible Arbeitszeitgestaltung und Möglichkeiten zum Homeoffice und zu Teilzeitregelungen sind ein Qualitätsmerkmal für gute Arbeitgeber:innen. Dies dient für Future Talents als ein entscheidendes Kriterium, wenn sie ein Unternehmen im Hinblick auf langfristiges Potenzial als Arbeitgeber auf den Prüfstand stellen. Das Thema Familienfreundlichkeit steht natürlich auch im Kontext der Gender Pay Gap immer mehr im Fokus und wird es auch bleiben.
Gleichzeitig wäre es allerdings auch denkbar, dass die Unsicherheiten der heutigen Zeit bei vielen jungen Menschen zu einer gewissen Rückbesinnung auf traditionellere Werte wie die Familiengründung geführt haben.
Digitale Arbeit ist der neue Standard
SAATKORN: Die letzten beiden Jahre haben in vielen Unternehmen zur Digitalisierung der Zusammenarbeit gesorgt. Wie nehmen die „Digital Natives“ diese Entwicklung wahr?
Ja, das sehen wir auch in unserer Studie. Die Future Talents sind mit überwiegender Mehrheit der Meinung, dass sich durch Corona digitale Zusammenarbeit zum neuen Standard entwickelt hat – branchenübergreifend erreichen wir da über 80 Prozent Zustimmung. Auf die Frage nach dem konkreten Stand der Dinge in ihrem Unternehmen – also der Digitalisierung, dem Knowhow und der Ausstattung und damit den Grundvoraussetzungen für digitale Zusammenarbeit – zeigen sich die Future Talents eher geteilter Meinung. Es scheint, dass noch nicht in allen Bereichen und Branchen beispielsweise der Stand der IT-Ausstattung und die Offenheit gegenüber digitalen Lösungen auf einem zufriedenstellenden Stand sind. Besonders interessant ist dabei auch, dass gut die Hälfte der Future Talents gleichzeitig nicht der Meinung ist, dass Unternehmen von ihrem Knowhow profitieren würden. Und das ist natürlich fatal gerade für Unternehmen, die beim Thema Digitalisierung noch hinterherhinken: die müssten ihren Future Talents besonders gut zuhören und sie dazu ermutigen, sich einzubringen.
Gehalt weniger relevant als früher
SAATKORN: Wenn Du Dir die Ergebnisse Eurer Analysen in den letzten 12 Jahren anschaust. Wo siehst Du die größten Veränderungen? In welchen Bereichen haben die Praktikant*innen von heute ganz andere Sichtweisen als die vor etwa 10 Jahren?
Wie auch viele andere Studien können wir beobachten, dass das Gehalt für Praktikant:innen zunehmend an Bedeutung verloren hat über die Jahre. Andere Themen werden wichtiger als die Höhe der Vergütung. Durch die Pandemie sind natürlich die Themen Digitalisierung, flexible Arbeitszeiten und -orte und damit auch das Thema Homeoffice sehr schnell in den Fokus gerutscht und zu wichtigen Gütekriterien von Arbeitsplätzen geworden, indem sie praktisch in den Benefits-Katalog aufgenommen wurden.
Auch wenn wir annehmen, dass der Homeoffice-Anteil nach der Pandemie wieder abnehmen könnte, wird der Vorschub, den die Pandemie der Digitalisierung und der digitalen Zusammenarbeit beschert hat, den Arbeitsmarkt langfristig maßgeblich prägen. Wie gut sich Unternehmen im Digitalisierungskontext anstellen, wird auch weiterhin von großer Bedeutung sein.
Entwicklungspotenzial zählt
SAATKORN: In vielen Berufen ist das Gehalt nach wie vor eines der wichtigsten Attraktivitätsmerkmale bei der Auswahl eines neuen Arbeitgebers. Ein Praktikum wird heute auch entsprechend besser vergütet als früher. Ist das Thema aus heutiger Sicht wichtiger geworden oder für Praktikant*innen eher ein Hygienekriterium?
Aus unserer Sicht ist es eher Letzteres. Wir sehen eindeutig, dass Kriterien wie der Ruf des Unternehmens und wie gut es sich im Lebenslauf macht, aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten oder die Atmosphäre beim Vorstellungsgespräch für Praktikant:innen und Werkstudent:innen wichtiger sind als die Vergütung und bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber dominieren. Auch bei der Wahl eines festen Arbeitsplatzes sehen wir, dass dem Entwicklungspotenzial mehr Bedeutung zukommt als der Vergütung.
FUTURE TALENTS REPORT 2022 von CLEVIS zum Download
SAATKORN: Was rätst Du Arbeitgebern auf Basis der Ergebnisse Eurer Studie, damit sie sich als möglichst attraktiver Arbeitgeber für Nachwuchstalente aufstellen?
Nun, ich rate ihnen unseren Future Talents Report zu lesen! Diesen kann man sich kostenfrei hier downloaden.
Zudem sollten sie darauf achten, Fortbildungsangebote für Praktikant:innen und Werkstudent:innen zu ermöglichen und ihre Arbeitsbedingungen hinsichtlich Familienfreundlichkeit und Digitalisierungsbereitschaft auf den Prüfstand stellen, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Arbeitgeber dürfen außerdem das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren, denn die Generation, die freitags für Klima demonstrierte, verlässt die Schulbank und steht in den Startlöchern.
SAATKORN: Kristina – ganz herzlichen Dank für dieses Update zum Thema Praktikum und dem Future Talent Report 2022. Dir weiterhin viel Spaß und Erfolg mit CLEVIS.
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