Recruiting in der Coronakrise – aktuelle Studie

Recruiting in der Coronakrise – mit Christoph Athanas von meta HR und Stefan Barislovits von Stellenanzeigen.de hatte ich Gelegenheit, über deren aktuelle Studie zu sprechen. Auf geht’s: 

SAATKORN: Die meisten kennen Euch zwar vermutlich, aber bitte stellt Euch den SAATKORN Leser*innen doch kurz vor.
Christoph Athanas: Ich heiße Christoph Athanas und bin Gründer und Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung, wo wir uns darum kümmern, Arbeitgebern dabei zu helfen, erfolgreicher zu rekrutieren. Ich schreibe seit 2009 den meta HR Blog und bin zusammen mit Stefan Co-Autor der Studie “Recruiting in der Coronakrise”.
Stefan

Christoph Athanas und Stefan Barislovits zur Studie Recruiting in der Coronakrise
Christoph Athanas und Stefan Barislovits zur Studie Recruiting in der Coronakrise

: Mein Name ist Stefan Barislovits, Marketingleiter bei stellenanzeigen.de. Wir kooperieren seit vielen Jahren erfolgreich mit unserem Partner meta HR. Nicht nur im Rahmen repräsentativer Studien, sondern auch im Bereich Messen und Events. In diesem Kontext unterstützen wir als Sponsor auch 2020 wieder das von meta HR veranstaltete legendäre HR Barcamp in Berlin.

SAATKORN: Recruiting in der Coronakrise – so heisst eine aktuelle Studie von Euch. Wie ist die Idee zur Studie entstanden und was war das Setting der Studie?
Christoph: Mit COVID-19 und den darauf folgenden Maßnahmen des Lockdowns ging ein regelrechter Schock durch Land und Wirtschaft. Wir sahen, dass natürlich auch die Personalgewinnung betroffen war. Wir wollen besser verstehen, was vorgeht und was seitens der Arbeitgeber unternommen wird. Dazu haben wir Mitte April 314 Personaler und HR-Verantwortliche befragt. Wir haben bei unserer Befragung darauf Wert gelegt, dass die Einschätzungen der HRler im Zentrum stehen. Gleichfalls haben wir auch im Gegensatz zu anderen Untersuchungen nicht nur die unmittelbare Krisenreaktion im Lichte des Lockdowns abgefragt, sondern auch eine mittelfristige Einschätzung der Auswirkungen auf die Recruiting-Strategien und -Aktivitäten in der Zeit nach dem Lockdown in der 2. Jahreshälfte ermittelt. Das hat bis dato keine andere Untersuchung getan.

SAATKORN: Was sind die aus Eurer Sicht zentralen Ergebnisse der Studie im Hinblick auf die Reaktionen von Bewerbern und Personalabteilungen auf Recruiting in der Coronakrise
Stefan: Zentral bedeutsam ist, wie quasi über Nacht aus einem Bewerbermarkt ein Arbeitgebermarkt wurde – was zu einem großen Teil an der Verunsicherung der Arbeitnehmer lag. Niemand wollte in der Zeit höchster Ungewissheit einen Jobwechsel riskieren. Wir beobachten als Jobbörse mittlerweile aber schon wieder eine deutliche Zunahme an Bewerbungen. Die wirtschaftliche und gesundheitspolitische Krise wird bewältigt werden – dennoch werden sich einige durch die Corona-Krise hervorgerufene Veränderungen als nachhaltig erweisen. Homeoffice wurde endgültig zum Durchbruch verholfen und auch der Focus auf digitalisierte Recruiting- und Onboarding-Prozesse ist nicht mehr umkehrbar.

SAATKORN: Gibt es Ergebnisse im Hinblick auf die Krisen-Reaktion, die Euch selbst besonders überrascht haben?
Christoph: Ich fand überraschend wie gut offenbar bei vielen Arbeitgebern die Ad-hoc-Anpassung des Recruitingprozesses möglich war. Immerhin haben rund 75% derjenigen Unternehmen, die weiter rekrutiert haben auf Live-Video-Interviews umgestellt. Man sieht damit, dass die Fähigkeiten zur Adaption und Improvisation vorhanden sind. Das freut mich und ich habe die Hoffnung, dass die damit gemachten Erfahrungen einer weiteren Recruitingdigitalisierung helfen. Außerdem hat mich überrascht, dass sich die Personaler in der Mehrzahl durch die Behörden gut informiert gefühlt haben. Auch das ist ja nicht selbstverständlich.

SAATKORN: Ihr widmet Euch in der Studie auch dem kurz- und mittelfristigen Ausblick. Was sind hier Eure wesentlichen Erkenntnisse?
Christoph: Richtig, wir haben nicht nur auf die unmittelbare Krisenreaktion geschaut, sondern auch um eine Einschätzung bzw. einen Ausblick auf die nächsten 6-12 Monate gebeten. Zentrale Erkenntnis ist, dass durch die Krise die weitere Digitalisierung der Recruitingprozesse nun voll im Bewusstsein der Arbeitgeber angekommen zu sein scheint. Über 50% gaben an, diese strategische Aktivität nun höher zu priorisieren als vor der Krise. Ebenfalls wurden mitgeteilt, dass besonders Personalauswahl- und Interviewkompetenz nun aus Sicht der Arbeitgeber wichtiger werden.
Eine andere wesentliche Aussage für den Ausblick betrifft die Recruiting-Budgets. Hier erwarten 57% der Befragten eine (deutliche) Reduktion ihres Budgets. Die Konsequenzen sind aus meiner Sicht, dass nun viele Personalabteilungen mit weniger Mitteln auskommen und sich weniger Rekrutierungsfehler erlauben dürfen. Mit anderen Worten: Es gilt mit weniger Pfeilen mehr Treffer zu landen. Dies dürfte einer digitalen und datengetriebenen Recruitingunterstützung Vorschub leisten und die Digitalisierung in dem Bereich vorantreiben. Weiterhin ist ein interessanter Punkt, dass eine Reihe Personaler schon antizipieren, dass angesichts der Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft die eigenen Arbeitgeberbotschaften gegebenenfalls eine Überarbeitung benötigen.

SAATKORN: Was sind auf Basis Eurer Studie Eure Empfehlungen für Personalabteilungen?
Christoph: Ich bin mir bewusst, dass eine Reihe Arbeitgeber durch die wirtschaftlichen Verwerfungen sich nun in unsicherem Gelände befinden. Größere Investitionen in Recruiting und Employer Branding sind dort eher nicht zu erwarten. Das verstehen wir voll und ganz. Allerdings richtet sich meine oberste Empfehlung auch an jene Unternehmen, die ggf. temporär das Recruiting aussetzen bzw. runterfahren: Bleiben Sie auch als Arbeitgeber sichtbar und informieren Sie transparent. Wenn die Krise eines gezeigt hat, dann dass Menschen bereit sind Vertrauen zu schenken sofern Transparenz herrscht. Abgesehen vom sichtbar bleiben denke ich natürlich, dass auch das eben schon angesprochene Thema Arbeitgeberbotschaften wichtig ist. Zahlreiche Kandidatenansprachen werden in den kommenden wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht mehr so wirklich gut passen.
Ein andere Empfehlung betrifft ganz klar die Recruitingdigitalisierung. HR-Teams, die nun gut über die Quarantäne-Zeit mit Video-Interviews etc. gekommen sind, sollten diese Innovationen unbedingt institutionalisieren und weiter ausbauen. Ich denke die Umstände waren noch nie so positiv für zügige Digitalisierungen. Das sollte genutzt werden – auch mit Blick auf mehr Effizienz im Recruiting. Bitte dabei aber nicht die Kandidatenorientierung vergessen.

SAATKORN: Stichwort Digitalisierung: was sind Eure Erwartungen im Hinblick auf Recruiting in der Coronakrise? Befördert diese Krise die Digitalisierung von Recruitingprozessen? Wenn ja, wie nehmen das Bewerber und Recruiter wahr?
Stefan: Die Krise hat wie ein Booster auf einige schleppend laufende Entwicklungen gewirkt und die Arbeitswelt mit voller Wucht ins 21. Jahrhundert katapultiert. Hätte man noch im Februar dieses Jahres behauptet, dass nur einen Monat später der Großteil der deutschen “White-Collar”-Belegschaft äußerst produktiv im Homeoffice arbeiten würde, so wäre man glatt als völlig realitätsfremd abgestempelt worden. Das gleiche gilt für digitale Recruitingprozesse: es wird schon sehr bald in manchen Bereichen geradezu bizarr anmuten, einen geeignet scheinenden Kandidaten über mehrere hundert Kilometer zu einem ersten Vorstellungsgespräch anreisen zu lassen. Und wie die jüngsten Erkenntnisse zeigen, nehmen sowohl Bewerber als auch Recruiter diese Veränderungen mehrheitlich positiv wahr. Die Virtualisierung der Prozesse wird auch durch den Eintritt der komplett digitalisierten “Generation Z” in den Arbeitsmarkt weiter angetrieben.

SAATKORN: Herzlichen Dank für das Interview rund um Eure Studie Recruiting in der Coronakrise!

Für Alle, die jetzt mehr wissen wollen: Die Studie „Recruiting in der Coronakrise“ steht hier zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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