Die 5 Schritte zu DIGITAL LEADERSHIP
Digital Leadership: benötigen wir angesichts der Digitalisierung und der in nahezu allen Branchen und Unternehmen stattfindenden digitalen Transformation eine andere Form von Führung? Regelmäßige saatkorn. LeserInnen wissen: die Frage ist natürlich rhetorisch gemeint. Ich bin davon fest überzeugt. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich vor einiger Zeit im Manager Magazin einen Essay von Dwight Cribb zum Thema Digitale versus analoge Führung gelesen habe. Ganz meine Meinung – und erfreulicherweise konnte ich bei ihm genauer nachhaken. Auf geht’s:
Digital Leadership: warum wir ein anderes Führungsverständnis brauchen – und wie wir dahin kommen
saatkorn.: Herr Cribb, bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Mein Name ist Dwight Cribb. Ich bin 46 Jahre alt, in Hamburg geborener Brite mit niederländischer Mutter. Mit siebzehn ging ich zum Abitur nach England, danach zum Studium und MBA nach Schottland, wo ich auch 1990 ins Internat ging. Nach zwei Stationen in Neue-Medien-Unternehmen gründete ich 1998 in Hamburg das Executive Search-Unternehmen Cribb. Wir sind seit Beginn auf die Besetzung von Vorstands- und Geschäftsführungspositionen mit ausgeprägter Digitalkompetenz spezialisiert und zählen viele der international führenden Internetunternehmen zu unseren Kunden, ebenso wie Konzerne aus den Bereichen Konsumgüter, Handel, Finanzen oder Medien.
saatkorn.: Stichwort Digital Leadership: wie muss sich angesichts der Digitalisierung Führung verändern? Welche Führungskompetenzen werden heute benötigt?
Der digitale Wandel zwingt Unternehmen, althergebrachte Strukturen und Prozesse zu überdenken, anzupassen und gegebenenfalls aufzugeben. Die Arbeits- und Unternehmenskultur spielen in der Transformation die größte Rolle. Sie gilt es zwingend zu berücksichtigen: Wie wird mit Innovationen umgegangen? Welche Ansätze und Wege gibt es? Wo tut sich aber auch Widerstand auf? Es bedarf einer Fehlerkultur, die Mitarbeiter beteiligt und die bereits den Willen zur Veränderung belohnt.
Um bei diesem Wandel die Mitarbeiter nicht zu demotivieren, benötigen Führungskräfte eine möglichst klare Zukunftsvision, welche die Richtung vorgibt. Gleichzeitig müssen die Verantwortlichen konkrete Schritte aufzeigen, die handwerklich sauber definiert sind und kurzfristig klare, messbare Erfolge ermöglichen. So machen sie ihren Mitarbeitern Mut und zeigen, dass Wandel möglich ist. Statt Effizienz sollte Innovation im Vordergrund stehen – und diese verlangt eine Kultur, in der Fehler erlaubt und gewünscht sind, in der „trial & error“ gelebtes Prinzip sind.
Dass alle Kollegen den – mitunter schmerzhaften – Kurs mittragen, ist für den gesamten Transformationsprozess essenziell: Ohne Teilhabe lässt sich kein Unternehmen verändern. Es muss Führungskräften gelingen, ihre Mitarbeiter mitzunehmen, sie für den Wandel zu begeistern. Unabdingbar ist dafür die Wertschätzung ihrer Arbeit und ein echtes Verständnis ihrer Arbeitsweise, um aufzeigen zu können, wie Technologie neue Wege zum Ziel liefern kann. Dabei ist es zentral, Empathie zu zeigen und offen und transparent zu agieren. So kann es gelingen, gemeinsam, Schritt für Schritt, das gesamte Unternehmen nachhaltig und für alle gewinnbringend zu verändern – und es in die digitale Zukunft zu führen.
saatkorn.: In Ihrem Job lernen Sie naturgemäß viele Arbeitgeber sehr gut kennen. Wie ist Ihre Einschätzung: hat sich die Erkenntnis, dass Digitalisierung immense Auswirkungen auf das Thema Führung hat, bereits breitflächig durchgesetzt oder sind die meisten Unternehmen immer noch im hierarchisch-autokratischen Denken verfangen, anstelle über Digital Leadership nachzudenken?
Die Erkenntnis, dass die Digitalisierung Auswirkungen auf fast jedes Unternehmen hat, reift gerade in den Köpfen der Unternehmenslenker. Dass sie allerdings auch Auswirkungen auf den eigenen Führungsstil hat, ist bei den meisten noch nicht angekommen. Häufig sehen Unternehmen eher Veränderungen auf sich zukommen, die sie mit der sogenannten Generation Y in Verbindung bringen. Es ist jedoch nicht nur die Generationsfrage, die einiges verändert. Das Führungs- und Kommunikationsverhalten wird und muss sich auch im Zuge der Digitalisierung ändern.
Die digitale Transformation ist im vollen Gange und bedroht die Existenz vieler Unternehmen. Dies bedeutet häufig auch, dass im Zuge des Wandels alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen, um weiter als Unternehmen voran zu kommen. Kein leichtes Unterfangen – hier müssen CEOs mit Überzeugungskraft und Mut vorangehen. Denn nur ein von oben vorgelebter Wandel kann funktionieren. Viele Unternehmenslenker führen jedoch noch mit dem Effizienzgedanken. Oft sind es daher die gegebenen Unternehmensstrukturen, die Mitarbeiter an innovativem Arbeiten hindern. Agiles Projektmanagement und kollaboratives Arbeiten gehören oft zur Ausnahme, es gibt keine KPIs, die revolutionäres Denken bewerten und loben und eine Kultur, in der auch Scheitern eine Option ist, ist die große Seltenheit.
Dieser Kulturwandel fordert insbesondere große, altgewachsene Unternehmen heraus, die anders als bei großen Startups wie Zalando, nicht über eine homogene Belegschaft verfügen. Es gibt jedoch Ansätze wie beispielsweise bei Bosch, die für ihre 300.000 Mitarbeiter seit Anfang des Jahres das individuelle Bonussystem abgeschafft haben, um eine kollaborative Grundhaltung statt einer „Gegeneinander“-Kultur im Unternehmen zu implementieren.
5 Schritte im Kulturwandel vom analog zum digital Leadership
saatkorn.: Welche Handlungsmaßnahmen empfehlen Sie Unternehmen, die zwar eigentlich auf der Suche nach Digital Leadership sind, aber auf Basis der Unternehmenskultur die falschen Voraussetzungen haben? – Wenn das Umfeld nicht stimmt, kann man noch so modern denken, aber eine Transformation wird kaum durchsetzbar sein…
Alle klassischen Unternehmen, die keine digitale DNA haben, stehen vor dieser Herausforderung. Ich sehe folgende Schritte, die notwendig sind, um diesen Kulturwandel im Unternehmen im Sinne von Digital Leadership einzuleiten:
- Klare Vision: CEOs müssen für ihr Unternehmen eine klare Vision für die Zukunft entwickeln. Sie stellt das Transformationsziel dar, an dem sich die Mitarbeiter orientieren können. Nur wer weiß, wohin die Reise geht, kann in die richtige Richtung laufen. Dafür hilft es, den Nukleus der Daseinsberechtigung des Unternehmens zu extrahieren und in den Fokus zu stellen. Mercedes, beispielsweise, ist dann kein Autohersteller mehr, sondern ermöglicht in Zukunft die „persönliche Mobilität“ – ob mit oder ohne privatem Auto. Daraus entstehen auch neue Denkansätze und Geschäftsmodelle.
- Notwendige Vermögenswerte: Die Frage, der Fragen: Welche Assets, welche Vermögenswerte eines Unternehmens brauche ich zukünftig noch, um die Vision zu verwirklichen? Hier müssen CEOs alle relevanten Komponenten unter die Lupe nehmen: Dies reicht von Mitarbeitern, über Kundenbeziehungen, Kapital, Anlagen, geistiges Eigentum, Markenwerte, Lieferantenbeziehungen etc. – alles muss geprüft und neu aufgestellt werden. Es kann sinnvoll sein, sich von Geschäftsbereichen zu trennen, um so frei werdendes Kapital in neue Bereiche zu investieren. Ein gutes Beispiel ist hier Axel Springer, die einen Teil ihres traditionellen Geschäfts an die Funke Gruppe veräußerten, weil sie bessere Einsatzmöglichkeiten für das frei werdende Kapital im Digitalbereich sehen.
- Änderung der kritischen Erfolgsfaktoren: Nachdem die Themen und Maßnahmen definiert sind, um eine Transformation durchzuführen, müssen sich CEOs auch die erfolgskritischen Komponenten anschauen. Denn die klassischen Bewertungsmodelle, um Führungskräfte zu messen, greifen hier häufig nicht mehr. Im Gegenteil: sie sind häufig konträr zum neuen Denken und Handeln. Es muss ein Paradigmenwechsel stattfinden, denn es kann nicht heißen: „werde kreativer, aber bleib effizient“, „werde offener, aber schütz dich“, „mache Neues, aber geh keine Risiken ein“.
- Wandel von oben: Führungskräfte müssen verstehen, dass der digitale Wandel eine Chance ist und keine Bedrohung. Nur sie an der Spitze können den Kulturwandel einläuten. Dabei bedarf es Mut, Überzeugungskraft und einen langen Atem. Denn der digitale Wandel wird Jahre in Anspruch nehmen und wird geprägt sein von Rückschlägen und Niederlagen. Er wird nicht mit offenen Armen angenommen. Daher ist es wichtig, als Unternehmenslenker Brücken zu bauen, um sicher zu stellen, dass betroffene Mitarbeiter, Kollegen und Kunden die Vision teilen und mittragen.
- Externe Sparringspartner: Wenn Unternehmen sich schwer mit dem Wandel tun, hilft oftmals der Blick von außen. Ein Digital Advisory Board, also ein Gremium aus Digitalexperten aus der Praxis, kann beim Digitalisierungsprozess helfen. Es prüft die Digitalstrategie, erarbeitet Ergänzungen oder Alternativen, schiebt Initiativen an und setzt Impulse für das Unternehmen und die Mitarbeiter. Wichtig dabei: Der Beirat muss auf Augenhöhe mit der Unternehmensführung arbeiten.
saatkorn.: Aus meiner Sicht ist es die vielleicht größte Herausforderung, aus dem standardisierten, rein Effizienz-getriebenen Denken auszubrechen. Gerade das Thema Innovation wird überall eingefordert, aber dass im digitalen Kontext die Implementierung echter Innovationen über ein meist längerfristiges und kostenintensives Vorab-Invest laufen muss, hat sich definitiv bei den CFOs noch nicht rumgesprochen. Da wird oftmals immer noch erwartet, dass digitale Plattformen innerhalb kürzester Zeit Break Even machen. Dass dies ein Trugschluss ist, zeigen die meisten heute auch wirtschaftlich erfolgreichen Digitalunternehmen, in denen in den ersten Jahren massiv investiert wurde. Wie kann man das Paradigma des reinen Effizienzdenkens auflösen?
Für den traditionell geprägten CFO geht es bei Investitionen ins operative Geschäft meist um die Ertragskraft des eingesetzten Kapitals. Er möchte also sehen, dass eine Investition durch das Erwirtschaften von Gewinnen verzinst wird, sich das eingesetzte Geld vermehrt. Bei den angesprochenen erfolgreichen Digitalunternehmen geht es den Investoren in der Regel nicht um das Erwirtschaften von Gewinnen, sondern um die Erhöhung des Unternehmenswerts.
Dieser Unternehmenswert basiert in vielen Fällen auf der Marktstellung des Unternehmens, weil sich gezeigt hat, dass die meisten digitalen Geschäftsmodelle von einem Winner takes it all (oder fast alles) Szenario dominiert werden. Die Wette der Investoren ist also, entweder den dominierenden Player oder ein Unternehmen, das dieser im Rahmen seines Wachstums aufkaufen wird, zu finanzieren. Da es also in umkämpften Märkten häufig um „land grabs“ geht, also dem Abstecken von Claims für die Zukunft, müssen auch traditionelle Unternehmen ihre Bewertungsansätze und Risikobereitschaft hinterfragen.
saatkorn.: Was sind Ihrer Meinung nach Voraussetzungen, damit digital denkende Talente sich in einem Unternehmen wohl fühlen und längerfristig bleiben?
Die Herausforderung beginnt bereits mit der Suche nach Digital-Talenten. Das Thema Employer Branding ist hier ein zentrales Stichwort und ein immer noch unterschätzter Baustein in der Außen- sowie Innendarstellung von Unternehmen. Denn: „Digitale“ Mitarbeiter sind „always on“. Sie informieren sich über Websites, über Social Media, über Bewertungsportale und über ihre oftmals ebenfalls digitalen Kontakte, die eventuell vergleichbare Positionen innehaben oder gar in dem entsprechenden Unternehmen arbeiten. Reputation und Sichtbarkeit sind also Schlüsselfaktoren.
Auch das Thema Erwartungsmanagement spielt eine wichtige Rolle – hier ist bereits die Kreation des Jobprofils elementar, damit keine falschen Erwartungen geschürt werden. Denn nichts ist für beide Seiten frustrierender, als ein Scheitern aufgrund von starren Organisationsstrukturen und einer „das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität. Bietet das Arbeitsumfeld also die Möglichkeiten, Veränderungen schnell voranzutreiben, beispielsweise in Form der kollaborativen Zusammenarbeit im Rahmen eines agilen Projektmanagements? Mit welchen Tools wird gearbeitet, können sie auch remote arbeiten und Gadgets austesten? Ist generell die Bereitschaft da, Ideen zu testen und schnell umzusetzen, wie es einige Unternehmen in Form eines „Labs“ ermöglichen? Gibt es Incentivierungsmodelle und Freiräume, die innovatives Denken fördern? Und letztlich die wichtigste Frage: Wird der digitale Wandel von ganz oben gewünscht und gefördert? Wird im Sinne von Digital Leadership geführt? Unternehmenslenker müssen konsequent von oben vorleben, dass es ohne Digitalität nicht mehr geht und dass sich das eigene Unternehmen dahin gehend ändern wird. Ziel muss es sein, dass alle Mitarbeiter die Vision mittragen.
saatkorn.: Was glauben Sie, wie sich der Arbeitsmarkt für digitale Talente insbesondere aus Sicht von Konzernen in den nächsten Jahren verändern wird?
Da der digitale Wandel in allen Industriebereichen mit Vehemenz voranschreitet, wird die Nachfrage nach solchen digitalen Talenten immens steigen. Es wird zu einem Überlebenskampf kommen, bei dem ein harscher Wettbewerb herrscht und in dem nur die besten Unternehmen erfolgreich sein werden.
saatkorn.: Herr Cribb, vielen Dank für das Interview rund um Digital Leadership!
Sehr überzeugende Argumente für die Bedeutung der Change Kompetenz von Führungskräften in der digitalen Transformation – vielen Dank für das Interview! Mein Eindruck ist, dass die digitale Transformation keine wirklich neue Art von Führung benötigt, sondern GUTE Führung einfach noch erfolgskritischer ist. Viele der genannten Erfolgsfaktoren sind schließlich seit Kotter, Senge und Co. bereits bekannt – nur leider noch immer nicht überall angekommen. Hoffen wir, dass der Sense of Urgency mit der digitalen Tranformation so hoch wird, dass es eine echte Veränderung gibt…