Digitalisierung der Arbeitgeberkommunikation: Individualisierung und Erlebnis sind gefragt
Ab und an halte ich Vorträge, oft im Kontext „Digitalisierung und Mitarbeitergewinnung“. Einer der Punkte, die stets im Fokus stehen, ist die rasante Entwicklung der Arbeitgeberkommunikation über die letzten 15 Jahre. In unserer Branche haben wir ja mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: demografische Entwicklung, Paradigmenwechsel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt, Wertewandel von Zielgruppen, technologische Entwicklung… man könnte noch ewig so weiter machen, aber ich möchte heute mal meine Sicht auf die Entwicklung der Arbeitgeberkommunikation, getrieben durch die Digitalisierung eingehen. Meine These dazu:
Digitalisierung der Arbeitgeberkommunikation: Individualisierung und Erlebnis sind gefragt
Dazu haben wir bei embrace mal folgende Grafik erstellt:
Meines Erachtens kann man diese Entwicklung in 3 Phasen einteilen (nicht berücksichtigt ist Word Of Mouth. Das gab es natürlich immer schon und wird es immer geben):
Erste Phase: „MONOLOG“ in der Arbeitgeberkommunikation
Vor dem Aufkommen der Karriere-Netzwerke, aber insbesondere Social Media, haben Arbeitgeber in erster Linie über sich erzählt. In Broschüren, in Print-Stellenanzeigen, auf Postern an Unis, in redaktionellen Beiträgen oder auf Imageanzeigen. Diese Art der Kommunikation war in erster Linie ein Monolog. Es war ja mangels Technologie auch gar nicht einfach, aus dieser einseitigen Kommunikation herauszukommen. Einzig über den direkten Dialog, Word of Mouth, konnte ein Dialog entstehen. Dieser Dialog war in der Regel aber nicht massenfähig. Es war ein Dialog zwischen einigen Wenigen. Und wenn man über Massenkommunikation spricht, eben nicht mehr als ein Monolog. Dementsprechend sehen auch viele Kampagnen aus der Zeit vor 2006 aus: der Arbeitgeber steht glorreich im Fokus und strahlt den Glanz einer fast unnerreichbaren Schönheit aus, die sich unter Umständen, möglicherweise eventuell dazu herablässt, mit einem unwürdigen Bewerber vielleicht einmal ein Pläuschchen zu halten…keine Rede von Bedürfnissen auf Arbeitnehmerseite wie Work Life Balance oder gar New Work Elementen á la Demokratie, Kooperation, Diversität. Musste ja auch nicht. Der Markt hat halt anders funktioniert.
Dazu kommt, dass in dieser Zeit – also zurückgerechnet vor 2006 – der demografische Wandel in Deutschland noch nicht spürbar war. Zwar hatte McKinsey den „War for Talents“ bereits Ende der Neunziger ausgerufen, freilich aber nur für eine sehr überschaubare Zahl von High Potentials, die unabhängig von Demografie oder gesamtwirtschaftlicher Situation immer schon ein extrem rares Gut darstellten (und natürlich darstellen).
Zweite Phase: „DIALOG“ in der Arbeitgeberkommunikation
Durch neue Technologien ändertes sich die Arbeitgeberkommunikation speziell durch das Aufkommen von Social Media in den Jahren 2006 – 2008 massiv. Auf einmal gab es den Rück-Kanal, Dialog war möglich. Und das nicht nur wie oben beschrieben über Word Of Mouth unter einigen Wenigen. Sondern massenfähig, für jedermann sichtbar auf Social Media Kanälen, zunächst insbesondere auf facebook. Was waren das für Diskussionen in vielen HR Abteilungen, ob man denn wirklich in den Dialog gehen wolle (und könne). Und wenn die HR Abteilung sich dafür entschieden hatte, gab es ja immer noch die Kommunikationsabteilung. Und viele dieser Kommunikationsabteilungen agierten die ersten Social Media Jahre immer noch in der Haltung, dass man Kommunikation steuern und kontrollieren könne. Wie wir heute wissen, zu großen Anteilen eine Fehleinschätzung. Im Rückblick erscheinen viele Diskussionen lächerlich. Aber damals war der entstehende Zwang, authentisch kommunizieren zu müssen eine wirklich dramatische Veränderung.
Bezogen auf die Arbeit in HR Abteilungen, genauer: in den Personalmarketingabteilungen war die Beschäftigung mit Social Media zunächst meist nur ein lästiges Abhaken: facebook, ja, machen wir. twitter, jau, haben wir auch im Programm. Nach und nach wurde (und wird für Viele) aber immer klarer, dass es nicht damit getan ist, einen Praktikanten den Arbeitgeber-facebook Kanal betreuen zu lassen. Das geht vielleicht ein paar Wochen, maximal ein paar Monate gut. Aber letzten Endes geht es darum, über die relevanten Kanäle Geschichten zu erzählen. Und zwar authentische, aber gleichzeitig möglichst spannende Geschichten für die jeweilige Zielgruppe. Gerade hier gilt: der Wurm muss dem Fisch, nicht dem Angler schmecken. Und das stellt viele HR (und oft auch Kommunikationsabteilungen) vor massive Herausforderungen. Da ist dann zwar ein facebook Kanal. Aber nix passiert, niemand interessiert sich dafür.
Storytelling wird also immer wichtiger. Und das ist in den wenigsten HR Abteilungen eine gut ausgebildete Kompetenz. Zumal ein Dialog natürlich viel komplexer zu betreuen ist als ein Monolog. 😉
Nun befinden wir uns im Jahr 2015 in einer interessanten Phase: durch die Kanalexplosion ergeben sich viele neue Kommunikationsmöglichkeiten. Denn die alten Kanäle sind ja nicht verschwunden. Print hat je nach Zielgruppe immer noch seine Bedeutung, Websites werden immer individueller, die Nutzung von Business Netzwerken wie XING oder LinkedIn ist zur Selbstverständlichkeit geworden und ob Social Media notwendig für die Arbeitgeberkommunikation ist, diskutiert auch niemand mehr. Gerade rutscht die ganze Kommunikation nebst Storytelling ins mobile, was wieder für neue Herausforderungen sorgt (Wie bildet man das technisch ab? Wie funktioniert Bewerbern mobile? Wie erzählt man eigentlich kanalübergreifend Arbeitgeber-Geschichten?), da steht das nächste große Ding bereits vor der Tür:
Dritte Phase: „ERLEBNIS“ in der Arbeitgeberkommunikation
Ich weiß, dass das Thema Virtual Reality von Vielen noch belächelt oder als „unrealistisch für die Arbeitgberkommunikation“ abgetan wird. Warum ich das Thema dennoch für sehr relevant halte, hatte ich über das Interview mit dem Medienfabrik Experten Michael Kölling und einige Wochen später mit den Virtual Reality Gurus von VRODO.DE, hier Matthias Bastian, kommuniziert. Abgesehen davon, dass es in Deutschland ja erst sehr sehr wenige konkrete Erfahrungen mit dem Thema gibt (ich kenne nur den Ansatz von EnBW, dann unser eigenes careerloft Video von der HR Edge sowie erste Ansätze bei Accenture), ist das Thema für mich ein Synonym zur Steigerung von Monolog über Dialog hin zum Erlebnis.
Denn in einem Markt, der sich aufgrund der demografischen Situation verbunden mit wirtschaftlicher Stabilität vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt wandelt, der bereits rückblickend gezeigt hat, dass die ganze Arbeitgberkommunikation immer mehr an den Bedürfnissen und Erwartungen von Zielgruppen ausgerichtet wird (und werden muss), ist es nur konsequent, in die Richtung „Erlebnis“ weiter zu denken. Und die Technologie wird definitiv nicht die Hürde sein. Eine VR Ausstattung bekommt man schon für 200 € (Brille ) plus Smartphone (Kosten je nachdem). Wenn man mal in eine ganz andere Richtung schaut und sieht, was für ein Geld viele Unternehmen in den Messestand auf dem Absolventenkongress stecken (Stichwort: analoges Erlebnis) und man dann mal überlegt, wie man Kommunikation – entweder auf der Messe – oder substitutiv als digitales Erlebnis inszenieren kann, dann wundere ich mich schon über so manches Argument frei nach dem Motto „Wir als HRler verwalten mal lieber, anstelle zu gestalten“.
Übrigens lassen sich oft spannende Rückschlüsse aus dem Produktmarketing aufs Personalmarketing ziehen. Und so meines Erachtens auch hier. Dass Erlebnisse eine immer größere Rolle im Kaufverhalten spielen, steht außer Frage, da muss man nur mal durch das ein oder andere Einkaufszentrum gehen. Oder – viel digitaler – mal schauen, wie sich amazon entwickelt hat und immer mehr Interaktions- und Ausprobiermöglichkeiten geschaffen hat.
Aber natürlich ist Virtual Reality nicht die einzige Art von „Erlebnis“ – es ist halt nur technologisch gesehen der mögliche große nächste Schritt. Andere Erlebnisse werden ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise fällt auf: wenn man sich mal die erste Grafik in diesem Artikel vor Augen führt wird klar: die Arbeitgeberkommunikation wird immer individueller – und zwar getrieben durch die technologische Entwicklung. Die individualisierte Ausspielung von Arbeitgeber-Content auf Smartphones der Zielgruppe ist am Beispiel unseres Berufs- und Studienorientierungsportals blicksta ja bereits Realität. Dasselbe Prinzip wird man im Oktober auf dem dann komplett relaunchten Karrierenetzwerk für Studenten und Absolventen, careerloft, sehen. Und an den ersten individualisierten Karriere-Websites für Unternehmen arbeiten wir auch bereits. Die Idee dahinter ist immer, den jeweiligen User basierend auf seinen individuellen Präferenzen (beispielsweise Mobilität, Bildungsstand, berufliche Interessenschwerpunkte) abzuholen und den Content dann individualisiert zur Verfügung zu stellen. Auch das ist in meinen Augen ein digitales Erlebnis: es geht um mich als Bewerber, um mich als Person und nicht um eine anonyme Zielgruppe.
Weiterhin geht es um das Erzählen von Geschichten – Storytelling – über Kanäle hinweg. Und auch hier ist extremer Nachholbedarf. Dass ich Geschichten beispielsweise in Print starte und online verlängere oder umgekehrt, dass die oben dargestellten Kanäle sinnvoll orchestriert werden – auch das zählt für mich als Erlebnis. Events spielen in diesem Kontext auch eine große Rolle. Das Sammeln von Kandidaten-Daten, um vor, während und nach Veranstaltungen in den direkten, individuellen Dialog mit der Zielgruppe gehen zu können macht ebenfalls Sinn und war noch vor wenigen Jahren so nicht möglich. Ein Schelm, wer spätestens jetzt nicht an das Thema „Candidate Experience“ denkt…
Ich bleibe dabei: Erlebnisse sowohl analog, aber eben insbesondere auch digital, werden in Zukunft eine große Rolle im Personalmarketing spielen. Was denkst Du, liebe/r saatkorn. LeserIn?