Frau Dr. Elke Eller wurde soeben als einer der 40 führenden Köpfe in HR ausgezeichnet. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch! Dass eine so vielbeschäftigte Frau wie Dr. Elke Eller dann noch Zeit für ein saatkorn.-exklusiv-Interview fand, macht mich natürlich ganz besonders glücklich. Und das Gespräch war dann auch so spannend, wie ich es erhofft hatte. Also, lange Rede, kurzer Sinn, auf ins Interview mit Dr. Elke Eller:
saatkorn.: Frau Dr. Eller, für die wenigen saatkorn. LeserInnen, die Sie noch nicht kennen: stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Elke Eller und ich bin seit Oktober 2015 Personalvorstand der TUI Group, wo ich für mehr als 65.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich bin. Zudem engagiere ich mich für die HR-Profession als Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager. Dort wurde ich im Juni dieses Jahres für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt. Vor meinem Wechsel zu TUI war ich im Volkswagen Konzern beschäftigt, ich habe in Frankfurt/Main Volks- und Betriebswirtschaft studiert und wurde an der Universität Paderborn promoviert.
saatkorn.: Zunächst mal herzlichen Glückwunsch! Sie sind just unter die 40 wichtigsten Personaler-Köpfe in Deutschland gewählt worden. Die Jury begründete die Wahl unter anderem mit Ihrer vorbildlichen Arbeit im Verband für die HR-Szene. Inwiefern möchten Sie Vorbild für andere sein?
Ich freue mich, wenn sich Menschen mit mir und meiner Arbeit identifizieren können und sie sogar als beispielhaft erleben. Im Grunde kommt es mir aber mehr darauf an, was sie daraus für sich selbst mitnehmen. Also wo ich konkret mit meiner Arbeit einen Beitrag dazu leisten konnte, dass Menschen sich besser im Arbeitsleben zurechtfinden und inspiriert sind.
Jede Führungskraft sollte sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein: Wie sie kommuniziert, wie sie motiviert und mit Fehlern von anderen umgeht – als Vorstandsmitglied der TUI Group nehme ich diese Rolle sehr ernst.
saatkorn.: Sie haben jeden Tag eine volle Agenda sowie ein umfangreiches Aufgabenspektrum zu bewältigen, sind Personalvorständin, Präsidentin des BPM und Aufsichtsrätin. Das Wort Langeweile kennen Sie vermutlich nicht. Was macht den Menschen Elke Eller aus, wie würden Sie sich beschreiben?
Da haben Sie völlig recht: Mein Kalender ist ganz gut gefüllt. Dabei ist mir wichtig, dass ich Erfahrungen aus den verschiedenen Mandaten im jeweils anderen Kontext einsetzen kann. Meine Erfahrungen aus einer internationalen Organisation wie der TUI Group helfen mir beispielsweise bei meiner Arbeit als BPM-Präsidentin. Und umgekehrt nehme ich immer wieder Impulse aus der Arbeit im Verband für das Unternehmen mit. Ich empfinde es als Gewinn, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema HR schauen zu können. Der Mensch Elke Eller, wie Sie sagen, versucht zwischen diesen verschiedenen Aufgaben sich Freiräume zu schaffen – für die Familie, für Freunde, zum Nachdenken. Ich denke, das gelingt mir auch ganz gut.. Insgesamt braucht es dafür natürlich eine gewisse Struktur, es braucht größtmögliche Transparenz und natürlich das Setzen von Prioritäten. Zudem bin ich eine absolute Teamplayerin. Um auf all diesen Bühnen gleichzeitig zu agieren, brauche ich zudem ein verlässliches Team um mich herum. Das schätze ich sehr.
saatkorn.: Nun zum BPM. Was wird im kommenden Jahr auf der Verbandsagenda stehen, zumal sich ja der Aufgabenbereich sowie die strategische Bedeutung von HR gerade mächtig verändert, Stichwort New Work, Diversity, Digitalisierung…
Im kommenden Jahr werden wir uns verstärkt mit den arbeitsmarktbezogenen Themen wie die Veränderung der Beschäftigungsfähigkeit beschäftigen. Wichtig ist aber auch, den Einfluss der Digitalisierung auf Arbeitsorganisation und Mitarbeiter zu thematisieren, Stichwort Personalmanagement 4.0. Ein weiterer, auch gesellschaftlich wichtiger Teil unserer Arbeit wird die Vielfalt in Unternehmen (Diversity) als Businesstreiber sein. Zudem wollen wir in punkto Arbeit 4.0 stärkere politische Impulse setzen, um auch dort eine relevante Stimme zu unseren Themen entwickeln zu können.
Dr. Elke Eller: HR braucht Freiräume zur Mitgestaltung einer neuen Arbeitsorganisation
saatkorn.: Gerade PersonalerInnen beklagen ja „hinter vorgehaltener Hand“, dass sie selbst nicht ernst genug genommen werden, wenn es um die strategische Gestaltung des Business in den jeweiligen Unternehmen geht. Wie sehen Sie diese Diskussion? Was braucht HR um in der Gestalter-Rolle akzeptiert zu werden?
Zwar ist meine eigene Erfahrung in der TUI Group eine ganz andere: Hier sitzt HR stets mit am Tisch, wenn es um die großen Veränderungen geht. Es gibt einen offenen und intensiven Austausch darüber, wo wir die Organisation hin entwickeln müssen, um unsere Unternehmensziele zu erreichen. Kein Silodenken und –handeln. Schaue ich auf diese Diskussion allerdings durch die BPM-Brille, stellt sich ein anderes Bild dar. Hier muss HR zunächst noch die Voraussetzungen schaffen, also sich Freiräume zur Mitgestaltung einer neuen Arbeitsorganisation schaffen, um dann am Tisch mit den anderen Führungskräften aus den Fachbereichen ernst genommen zu werden. Anders ausgedrückt, sie brauchen das strategische Rüstzeug sowie das richtige Instrumentarium, um das zu erreichen. Daran arbeiten wir auch bereits im Verband.
saatkorn.: Persönlichkeiten wie Thomas Sattelberger polarisieren zwar, trauen sich aber dennoch, ihre Meinung klar und offen zu kommunizieren. Gerade im Bereich HR fehlen mir solche Persönlichkeiten, vor allem, wenn es darum geht, dem Nachwuchs Lust auf diesen Bereich zu machen. Wie sehen Sie das?
Wissen Sie, allein mit geschliffenen Meinungen können wir aber auch nichts bewegen. Starke, unverblümte Meinungen sind wichtig, um Menschen aufzurütteln und Signale zu setzen. Aber wenn diese Parolen nicht ihre Entsprechung in der Unternehmensleistung haben, geht der Schuss eher nach hinten los. Starke Personaler-Persönlichkeiten trauen sich erst langsam aus dem Schatten der Unternehmenslenker, um über die neue Arbeitskultur zu sprechen.
saatkorn.: Gibt es eigentlich im Umfeld von HR ein Thema, für das Sie ganz besonders brennen?
Als Personalvorstand schaue ich natürlich auf die Gesamtorganisation und wie wir diese nach vorn bringen, damit sie auch in der Zukunft erfolgreich ist. Dafür sind ganz viele Themen wichtig, angefangen bei der Personalentwicklung bis hin zur Führungskultur oder Fragen der Organisationsentwicklung. Die digitale Transformation ist dabei sicherlich das Thema, was eine besondere Aufmerksamkeit bekommt. Nicht nur, weil ich persönlich dafür „brenne“, sondern weil ich überzeugt bin, dass das Gelingen dieses Veränderungsprozesses zukunftsentscheidend ist – für unser Unternehmen, aber auch für jeden einzelnen Mitarbeiter. Für mich steht der Mitarbeiter im Zentrum unserer Arbeit als HR-Verantwortliche. Und die digitale Transformation bringt ganz viele spannende Herausforderungen und Fragen mit sich: Denken Sie an die Möglichkeiten von Big Data für eine moderne HR-Arbeit. Oder an Apps, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen werden, um die Arbeit flexibler organisieren zu können. Das Zusammenspiel zwischen Technologie und Mitarbeitern wird sich grundlegend ändern. Und wir werden als Führungskräfte lernen müssen, auch mal loszulassen. Ich sehe vor allem die Chancen dieser Veränderungen. Aber ich finde auch, dass wir uns mit den Herausforderungen, die daraus entstehen, frühzeitig auseinandersetzen müssen. Und in diesem Spannungsfeld eine moderne, die digitale Transformation unterstützende Personalarbeit zu gestalten, ist unglaublich bereichernd.
Dr. Elke Eller: Für TUI sind digitale Transformation, HR-Infrastruktur und Unternehmenskultur die wichtigsten Themen.
saatkorn.: Nun nochmal zu Ihrer Aufgabe bei der TUI. Was sind die großen Handlungsfelder für Sie im TUI Personalressort kurz- und mittelfristig?
Zunächst steht natürlich die digitale Transformation auf der Agenda. Agiles Arbeiten, flexiblere Organisationsstrukturen, die Einbindung der Arbeitnehmervertretungen bei der Gestaltung dieser neuen Arbeitswelt – das sind nur einige der Themen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen. Wir wollen als TUI digitaler für unsere Kunden werden – also müssen wir auch im Unternehmen digitaler werden.
Ein zweites Handlungsfeld ist die Implementierung einer globalen HR-Infrastruktur. Wir bauen derzeit eine cloud-basierte Plattform für die wesentlichen HR-Prozesse, mit der wir dann konzernweit unsere Personalarbeit steuern können. Das spannende aus HR-Sicht ist weniger die Cloud als vielmehr die Tatsache, dass wir nun verschiedene HR-Prozesse durchleuchten und auseinandernehmen, um sie dann so zu gestalten, dass sie digital abbildbar sind. Das ist eine Mammutaufgabe in einem Unternehmen, wo in der Vergangenheit eine Vielzahl von Systemen und Prozessen im HR-Bereich parallel existierten. Aber der Einsatz lohnt sich. Damit schaffen wir als HR-Bereich eine wichtige Voraussetzung für eine agile TUI. In Deutschland haben wir das erste Modul bereits ausgerollt, weitere Länder und Module werden folgen.
Als drittes Handlungsfeld würde ich die Etablierung einer gemeinsamen Unternehmenskultur samt ihrer Werte nennen. Da sind wir in den vergangenen beiden Jahren schon einen großen Schritt vorangekommen. Jetzt geht es vor allem darum, die Unternehmenskultur und unsere Werte – Trusted. Unique. Inspiring. – noch stärker in unseren HR-Abläufen zu spiegeln.
saatkorn.: Frau Dr. Eller, wie schätzen Sie selbst die TUI als attraktiven Arbeitgeber ein, sind Sie mit dem Stand Ihres Employer Brandings zufrieden?
TUI ist eine attraktive Arbeitgebermarke. Unser Produkt ist der Urlaub! Vom Zimmermädchen in einem unserer mehr als 300 Hotels bis zum Digital-Marketing-Experten – wir bieten spannende Jobs! Gemeinsam mit den Marketing-Kollegen werden wir bis zum Ende des Jahres ein entsprechendes Employer Branding ausrollen. Damit wollen wir auch Menschen ansprechen, die uns bisher vielleicht noch nicht als Arbeitgeber auf dem Schirm hatten. Als Touristikkonzern konkurrieren wir mit Start-Ups und anderen Unternehmen um Digital-Experten. Und das neue Employer Branding nimmt bewusst diese Zielgruppe ins Visier und präsentiert uns als den idealen Arbeitgeber für alle, die die Zukunft des Reisens mitgestalten wollen. Gleichzeitig signalisiert es unseren Mitarbeitern, dass wir auf dem Weg zu einer digitalen TUI sind. Das erste Feedback war ausgesprochen positiv. Wir haben damit offenbar einen Nerv getroffen. Der neue Auftritt wird bis Ende dieses Geschäftsjahres in 14 europäischen Märkten ausgerollt. Dabei werden alle Kanäle, auf denen zukünftige Bewerber sich über Job-Angebote der TUI Group informieren, umgestellt.
saatkorn.: Inwieweit hat das Thema „NewWork“ schon eine Bedeutung bei der TUI? Was tun Sie konkret?
Unter „New Work“ verstehen wir bei TUI die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten. Die verschiedenen Unternehmensbereiche sind in dieser Frage derzeit unterschiedlich weit. Die Kollegen in den nordischen Ländern sind vorn dabei, was zum Beispiel die Gestaltung der Büros angeht. Und dort wird auch bereits viel digitaler gearbeitet als zum Beispiel in Hannover. Unsere Reiseleiter wiederum sind weltweit alle mit iPads ausgestattet und nutzen Kollaborationstools, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten über veränderte Abflugzeiten oder die neuesten Insider-Tipps für unsere Gäste. In den deutschen Gesellschaften und auch bei der TUI AG selbst müssen wir da noch aufholen und da gehen wir auch bereits erste Schritte in die Richtung.
Was wir überall machen: Wir beginnen, die Mitarbeiter an das Thema heranzuführen. Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze in den verschiedenen Ländern. Ich komme gerade aus Stockholm zurück, wo die Kollegen eine „Digital Safari“ durchgeführt haben, bei der alle Mitarbeiter vor Ort digitale Technologien testen oder sich von Experten erklären lassen konnten. Das war sehr niedrigschwellig. Jeder konnte sein „Lerntempo“ selbst bestimmen. Aber am Ende hatten alle zumindest ein Grundverständnis davon, was da auf uns als Unternehmen und auf jeden einzelnen Mitarbeiter zukommt. Und ich bin überzeugt: Das ist eine gute Ausgangslage für die Veränderungen, die wir anstoßen wollen.
saatkorn.: Wenn Sie dem HR Nachwuchs drei Tipps geben könnten, welche wären das?
- HR ist zur Zeit genau der richtige Ort, um etwas bewegen und gestalten zu können, also nutzt diese Chance für euch. Denn besonders HR braucht eure Sichtweisen.
- Versucht, die richtigen Menschen für euer Unternehmen zu finden, um damit das beste Team zusammenstellen zu können.
- Sucht euch das Unternehmen aus, wo ihr euch am besten weiterentwickeln könnt und viel über die Menschen, und wie sie arbeiten, erfahren könnt.
saatkorn.: Frau Dr. Elke Eller, vielen Dank für das Interview!