Studie: welche Erwartungen an Arbeitgeber haben ITler?
Studie: welche Erwartungen an Arbeitgeber haben ITler?
Seit Jahren schon setzt Prof. Dr. Tim Weitzel, Professor and Department Chair Information Systems and Services an der Universität Bamberg, mit seinen Studien rund um Recruiting und die Bewerbungspraxis spannende und lesenswerte Akzente. Zusammen mit der Goethe Universität Frankfurt am Main sowie Monster.de wurden im Sommer 2010 über 10.000 Stellensuchende und Karriereinteressierte befragt. Auch wenn die Daten schon etwas älter sind, ist diese Studie in meinen Augen sehr interessant. Ich hatte Gelegenheit, Tim etwas genauer dazu zu befragen. Auf geht’s:
saatkorn.: Ihr habt in Eurer neunten „Bewerbungspraxis“-Studie wieder über 10.000 Leute befragt. Was waren denn überraschende Ergebnisse?
Überraschend fand ich den im Gegensatz zu Teilen der öffentlichen Stimmung wieder sehr hohen Jobmarktoptimismus. Wir befragen jedes Jahr komplementär zu unserer Unternehmensstudie „Recruiting Trend“ mit der Unterstützung von monster.de auch Kandidaten, also die andere Marktseite. Und unter den über 10.000 aktuellen Teilnehmern sehen vier von zehn gute Jobchancen für sich. Fast jede Dritte glaubt, bei einem Wechsel sogar einen Traumjob finden zu können. Und die Teilnehmer sind weit gestreut. Die meisten haben etliche Jahre Berufserfahrung, ein Siebtel ist in Führungspositionen. Segmentspezifische Auswertungen zeigen übrigens, dass unter allen Fachgruppen erneut die Wirtschaftsinformatiker die eigene Zukunft am rosigsten sehen.
Mich hat aber auch überrascht, wie wichtig die Erfahrungen bei einem Bewerbungsgespräch für die Bewerber sind. 90% unserer Teilnehmer sagen, sie erkennen dort, ob das Unternehmen zu ihnen passt, aber nur gut die Hälfte hat in Bewerbungsgesprächen gute Eindrücke bekommen. Etwa sechs von zehn haben wegen negativer Erfahrungen bei Bewerbungsgesprächen sogar schon einmal konkrete Jobangebote abgelehnt. Hier liegt sicher eine Chance, Employer Branding auch lokal besser umzusetzen.
saatkorn.: Eure Studie zeigt klar auf, dass Online-Bewerbungen die Papierbewerbung nahezu komplett verdrängt haben. Welche Rolle spielt aber Social Media in der heutigen Bewerbungspraxis? Ist das überhaupt schon ein Thema im Kontext Recruiting, oder eher noch ein Personalmarketing-Thema?
Zunächst ist interessant zu sehen, dass die Kandidaten gar nicht unbedingt so stark nach Social-Media-Recruiting verlangen, wie man meinen könnte. Ein Viertel findet Social-Media-Anwendungen für die Rekrutierung explizit gut, ein Drittel mag Unternehmens-Fanpages zu Karrierethemen, aber eben nicht mehr. Es gibt hier erhebliche Unterschiede zwischen den Ziel- und Ausbildungsgruppen. Segmentspezifische Analysen zeigen erwartungsgemäß, dass Social Media bei z.B. bei Personalern, Marketing, Consulting, in der IT-Branche oder bei Studenten eine größere Rolle spielen und mehr genutzt werden.
Es ist auch interessant, dass die Kandidaten nach wie vor bei aktiver wie passiver Suche den Stellenbörsen die größten Chancen auf gute Treffer zusprechen. Hier kommen Facebook und Unternehmensbewertungsplattformen deutlich später und beispielsweise hinter der Arbeitsagentur. Entsprechend ist der Hauptinformationskanal für Kandidaten in ihrer Suchphase nach wie vor die Stellenbörse, die zwei Drittel hierfür regelmäßig nutzen. Danach kommen die Unternehmenswebsite mit 37% und Karrierenetzwerke wie XING mit knapp 32%. Aber die meisten bewerben sich noch immer am liebsten passiv: Drei Viertel unserer Teilnehmer haben ihren Lebenslauf in einer Internetstellenbörse, und auch schon 66% bei einem Karrierenetzwerk. Allerdings ist nur jede dritte Ansprache durch Unternehmen dann auch passend aus Sicht der Kandidaten.
saatkorn.: Eine besonders schwierig anzusprechende Gruppe sind ITler. Wie erreiche ich heutzutage am Besten diese Zielgruppe?
Präsenz im Internet und enger Kontakt zu Hochschulen. In der IT-Branche ist entsprechend die regelmäßige Social-Media-Nutzung von Employer Branding bis aktiver Suche signifikant weiter verbreitet als in anderen Bereichen. 18,8% der IT-Firmen schalten regelmäßig Stellenanzeigen bei XING, jedes fünfte IT-Unternehmen macht regelmäßig Employer Branding über facebook und XING, und 31% suchen häufig aktiv nach Kandidaten in XING.
saatkorn.: Unterscheiden sich ITler im Hinblick auf ihre Erwartungen an Arbeitgeber von anderen Zielgruppen, die ihr befragt habt?
Wir haben für die Cebit zu genau dieser Frage – „Sind IT-ler anders“ – das Sample einmal durchforstet. Zunächst einmal sind IT-ler in einigen Beziehungen in der Tat anders als der Durchschnitt: Sie verdienen mehr, da die IT in der Spitze mehr zahlt und es weniger Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich gibt, und vor allem Frauen verdienen in der IT-Branche mehr als in anderen, bei unseren Teilnehmern fast ein Viertel mehr. Ebenso sind IT-ler deutlich zufriedener im aktuellen und optimistischer für den nächsten Job. Allen Unkenrufen zum Trotz sind IT-ler sogar verheirateter als der Durchschnitt – 47% statt 40%. Verblüffenderweise haben IT-ler aber die selben Vorstellungen von einem guten Arbeitgeber wie der Rest. Das Wunschunternehmen bietet 1) ein gutes Arbeitsklima, 2) eine offene Kultur des Wissensaustausches und 3) legt Wert auf Work-Life-Balance. Auch die Bedeutung von Gehalt – Platz 5 – weicht statistisch nicht signifikant vom Durchschnitt aller Gruppen ab.
saatkorn.: Welche Rolle spielt die mobile Jobsuche heutzutage? – Was sind Deine Erwartungen in diesem Kontext für die nächsten Jahre?
Ich persönlich hatte eher zurückhaltende Erwartungen zu mobile recruiting, die aktuellen Zahlen haben mir aber gezeigt, dass die Kandidaten eigentlich schon weiter sind als die Unternehmen: Jeder vierte Bewerber bewirbt sich mobil, die Hälfte will Apps dazu haben. Bei den Unternehmen bieten dagegen nur 6% Apps, und 10% haben für Mobilgeräte optimierte Stellenanzeigen.
saatkorn.: Haben Mitarbeiterempfehlungsprogramme aus Sicht der Befragten eine Relevanz?
Die Mehrheit der Unternehmen hält Mitarbeiterempfehlungen für einen wichtigen Rekrutierungskanal. Derzeit kommen gut 5% aller Neueinstellungen aus Mitarbeiternetzwerken, doch einzelne Unternehmen setzen sehr stark darauf, gerade knappere Zielgruppen zunehmend aus eigenen und wohlgepflegten Netzen zu gewinnen. Dazu gehören Alumni-Netzwerke für Boomerang Hires, also die Wiedergewinnung ehemaliger Mitarbeiter, aber auch Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme. Allerdings hat nicht einmal jedes fünfte Unternehmen ein systematisches Anreizsystem für gute Empfehlungen.
Hier ist die IT-Branche eine bemerkenswerte Ausnahme, bei der mehr als jede zweite Vakanz nicht oder nur schwer besetzbar ist. In der IT gehen inzwischen über 15% der Einstellungen auf Mitarbeiternetzwerke zurück, und für jede dritte Vakanz gibt es explizite Aufforderungen an die eigenen Mitarbeiter, Empfehlungen abzugeben.
Interessant ist, dass über alle Branchen hinweg die Mitarbeiter sich zu wenig gefragt und um Empfehlungen gebeten fühlen und jeder zweite mehr als Unternehmensbotschafter genutzt werden möchte.
saatkorn.: Lieber Tim, herzlichen Dank für das Interview!